Turkmenistan im Sauseschritt

Die Ausreise verläuft geschmeidig, auf turkmenischer Seite gelangen wir auch recht schnell bis zum Abfertigungsgebäude. Nachdem wir unseren Guide getroffen haben, darf ich die unorganisierteste Zollabfertigung ever erleben. Trotz einer Begleitperson, die der Landessprache mächtig ist, werden wir offenbar nur von einem Ahnungslosen zum nächsten geschickt. Nochmal und nochmal wir nachgefragt. Letztlich dient alles in unseren Augen nur dazu, soviel Cash wie nur möglich zu generieren. Das Auto wird desinfiziert (wir fahren durch ne Wasserpfütze), es wird ein Coronatest gemacht, man bezahlt eine Einfuhrsteuer, man bezahlt pro Kilometer (282$, die Kosten von 5$ für eine Tankfüllung relativieren sich da ein gaaaanz klein bisschen), man bezahlt Bearbeitungsgebühr und ganz zum Schluss Bankgebühren (??). Das Auto wird erst als Auto berechnet, dann aber doch als Minibüs. Als wir es bis zum Zoll geschafft haben, darf ich mir anhören, dass das Auto getönte Scheiben hat, was in Turkmenistan verboten ist. (Wußte ich, hatte ich aber verdrängt). Ich sage, dass ich dann wohl umdrehen müsse, was aber nicht die erwünschte Reaktion ist. Es wird diskutiert, bis auf Benjamin verstehe ich kein Wort, und selbst das weiß ich nicht zu deuten. (Herr Franklin, der von der 100$-Note grüßt). Mein Guide fragt mich letztlich, ob 50$ für mich ok wären, da ich zu dem Zeitpunkt nicht weiß, dass ursprünglich das Doppelte im Raum stand, sag ich erstmal nein. Ich biete 30 an, die es dann auch werden. Es erscheint einer der Gebührenberechner, dem, wie auch immer, aufgefallen ist, dass das Auto ja nur 5 Sitzplätze hat, was für einen Minibüs ganz schön wenig ist. Daher bekomme ich also wieder Geld zurück. Abzüglich Bearbeitungsgebühren 33$…
Unsere erste neue Erfahrung in Turkmenistan ist, dass uns junge Leute auf der Straße ansprechen, um sich mit uns zu fotografieren. Susi findet es ok, ich und der MarcoPolo, der meistens gar nicht gefragt wird, eher so mittel. Nach einem dringend nötigen Essen schauen uns wir ein paar Sehenswürdigkeiten in Konya-Urgench an, bevor wir uns auf die 270 Kilometer Holperpiste zum Darvaza Gas Krater machen. Wir bemerken eine Beule an einem unserer Reifen, sowohl Guide als auch Fahrer winken aber müde lächelnd ab. (Ein Taxifahrer, dem sie zwei Tage später auch auffällt schaut aber ziemlich besorgt…) Die Straße ist sehr schlecht, lediglich etwas besser als die bei der Einreise nach Usbekistan. Beim ständigen Bremsen und Gas geben geht zu allem Überfluss irgendwann auch noch die Motorkontrollleuchte an. Später wird es zumindest für mich aber noch unangenehmer. Wir treffen erst gegen 22:30 am Krater ein, essen dann noch ein bisschen was und trinken auch noch das unterwegs eingekaufte Bier. Als ich mich in der Jurte in den Schlafsack lege ist es halb zwei oder so. Ich liege aber nicht lange, da ich schneller aus der Jurte heraus sein muss, als mein Mageninhalt aus mir. Das Ganze erfolgt multidirektional. Aufgrund der Nähe zu unserer Toilette verbringe ich die restliche kurze Nacht zusammengeknickt auf der Rückbank unseres Autos. Aber wenigstens gut zugedeckt.
Ich trinke am nächsten Tag nur Tee, aber zusätzliche Toilettenpausen sind wegen mir zumindest nicht nötig. Die Straße wird dann irgendwann langsam besser, wir lassen dann unser Auto waschen, der Fahrer samt Fahrzeug wird komplett ausgetauscht, da Menschen aus der Provinz nicht in die Hauptstadt dürfen. (Ein Konzept, dass für Thüringen auf jeden Fall meine Stimme gehabt hätte…) Ebenfalls nicht in die Hauptstadt dürfen nichtweiße Autos. Das ist dem MarcoPolo aber egal. Wir werden zwar aufmerksam von den Polizisten, die ungefähr an jedem zweiten Kreisverkehr stehen, angeschaut, aber nicht angehalten. Zwecks Risikominimierung sind wir aber damit einverstanden, am Nachmittag und Abend bei Fahrer und Guide mitzufahren. Dazwischen wird geruht bzw. im Pool geplanscht. Abends gehen wir in einer Shopping Mall nen Happen essen, wo wir auch unsere „Reise“ bei dem Mann vom Reisebüro bezahlen, bei dem wir sie über Whatsapp gebucht hatten. Es gibt auch einen Spielbereich für Kinder, in dem Ida sich nur gar zu gern abparken lässt. Bei der nächtlichen Stadtbesichtigung sind ihre Augen dann genauso groß wie unsere, da wirklich alles mit bunten LEDs illuminiert ist.
Der Morgen/Vormittag ist für Mensch und Maschine sehr erholsam, über eine mautpflichtige Autobahn rollen wir etwa 300km nach Mary. Das kleine Restaurant, in dem wir essen hätten wir allein nie gefunden, da es von außen aussieht wie der Seiteneingang einer Garage. Das Essen ist aber sehr gut und sehr günstig. Unser Auto bleibt wieder stehen und wir besichtigen die Ruinen der antiken Stadt Merv. Uns fallen zwei ältere Frauen auf, die scheinbar gelangweilt durchs Gelände trotten. Wir erfahren, dass dies Beludschen seien, wenn es geregnet hat (wir haben keinen Regen gesehen, aber offenbar hat es das dann wohl) durchstreifen sie immer die Gegend, in der Hoffnung, freigespültes Gold zu finden.
Quasi zum Abschied gehen wir im Gartenrestaurant des Hotels einen Happen zu Abend essen. Die Bestellung erfolgt ganz modern über Tablet, lediglich die Preise hat man mal wieder vergessen. Der Service hingegen ist unterirdisch, unser Bier dauert länger als die Pizza.
Nach Volltanken und Lunch in einer Truckerkneipe begleitet uns unser Guide auch noch zur Grenze, nach dem üblichen Schraps-hat-den-Hut-verloren und weiteren 10$-Fantasiegebühr sind wir wieder raus aus Turkmenistan.

Uzbekistan – zum Ersten

Nach den bisherigen Erfahrungen sind zumindest die Ausreisen immer einigermaßen zügig vonstattengegangen, das ändert sich hier, da ich allein an der Passkontrolle fast eine Stunde warten muss. Die usbekische Seite dauert etwa genauso lange. Es ist eine Transitgebühr (oder was auch immer) zu entrichten, 17.000 Som(~1,30€). Da ich noch kein usbekisches Geld habe, darf ich auch in kasachischen Tenge bezahlen: 2000(~4,50€). Das Auto wird gleich von drei Leuten durchsucht. Eine Drohne wird nicht gefunden. Als ich beim Themenkomplex Reiseroute staunend nach meinem Beruf gefragt werde, verweise ich auf meine Herzensdame und ernte neidische Blicke.
Kurz nach der Grenze ist, wie gehabt, Geld zu tauschen und eine Versicherung zu erwerben. Obwohl durch das Internet gewarnt, sind die sofort ums Auto herumrennenden Menschen, die größtenteils Sturmmasken bzw. Tücher über Mund, Nase und Kopf sowie Sonnenbrillen tragen für uns ein klein wenig abschreckend. Die Frage nach einer SIM-Karte verneinen wir, tauschen dann aber Geld (Millionär in fünf Sekunden), zeigen Interesse an einer Versicherung fürs Auto und werden umgehend in ein Café bugsiert. Dort sitzt ein junger Mann, der gleichzeitig auf seinem Laptop rumhämmert, uns eine SIM-Karte anbietet, telefoniert und das Lokal verlassende Kunden abkassiert. Bei der Erstellung unserer Versicherungspolice klemmt es aber ein bisschen, meine Mädels essen also erstmal Schaschlik mit Salat und trinken einen Tee. Es klemmt weiterhin und irgendwann setzt sich der jüngere Bruder, der zudem besser Englisch spricht, ans Laptop. Er fragt erstmal nach einer SIM-Karte, kriegt es dann aber hin, irgendeine ominöse Variable der Zulassungsbescheinigung , Teil 2 korrekt ins System einzugeben. Er strahlt, und nennt dann einen Mondpreis… Aufgrund meines äußerst rudimentär ausgeprägten Verhandlungsgeschickes gelingt es mir nur, ihn um den Preis des Essens herunterzuhandeln. Trotz dieser kleinen Abzocke sind uns Usbekistan und seine Bewohner, die sich mit Tonnen von Material über die Grenze quälen, und dann gemeinsam frisch gegrilltes Fleisch essen auf Anhieb sympathisch. Im Gegensatz zu Usbekistans Straßen.
Was dann kommt ist in Worten kaum zu beschreiben. Um unpassende Vergleiche zu vermeiden: es ist die Abwesenheit einer Straße. Stellenweise ist etwas Asphalt zu erahnen. Dafür halbmetertiefe Löcher bis zum Abwinken. Und das ganze für 250 Kilometer. Ausnahmsweise kommt der Copilot mal seinen Kernaufgaben nach, und entdeckt, dass einige Fahrzeuge neben der Straße durch die Steppe fahren. Es gibt ein regelrechtes Wegenetz beidseits der Straße, welches wir dann auch benutzen. Allerdings nicht, ohne einen Preis dafür zu bezahlen: wir sind zwar schneller und vermeiden harte Schlaglöcher, der Dreck dringt aber überall ins Auto ein. Irgendwann können wir nicht mehr und bleiben einfach stehen. Leider nicht, ohne uns vorher beim Wenden kurz festzufahren. Um etwas positive Stimmung zu verbreiten, kündige ich für den nächsten Tag eine Duschmöglichkeit an. An einem hauptsächlich von Truckern genutztem Rastplatz, auf den vor uns zwei LKWs einbiegen, die gestern zeitgleich mit uns das Niemandsland zwischen Kasachstan und Usbekistan durchquert hatten, gibt es für kleines Geld ebenso Schaschlik wie zeitlich unlimitierte Duschen.
Die Suche nach einem für uns funktionierendem Geldautomaten wird zur unendlichen Geschichte. Unzählige Versuche schlagen mit irgendwelchen Fantasiefehlermeldungen fehl. Irgendwann wird es Susi zu bunt, und sie betritt energisch eine Bank. Ich bin nicht so überzeugt, da alles voller offensichtlich wartender Leute ist und unterhalte mich lieber vor der Tür mit einem älteren Herren (in Prenzlau gedient), der offenbar seine Rente abgeholt hat, da er eine Plastiktüte voller Geldscheinbündel dabei hat. Meine Frau ist aber doch recht schnell an der Reihe und schreit mir ein „Wieviel?“ entgegen. Ich rufe auf Russisch 600 zurück und bin dann mehr als erstaunt, da es ihr offenbar entgegen anderslautender Meldungen gelungen ist, in Usbekistan US-Dollar abzuheben. Im Nachhinein betrachtet rettet uns das ziemlich den A….
Es gibt, theoretisch, in Usbekistan eine Registrierungspflicht alle 72 Stunden. Diese nehmen im Normalfall Unterkünfte wahr. Es gibt auch eine App, für die man, nur ganz wenig zu kurz gedacht, eine usbekische Telefonnummer und eine usbekische Kreditkarte benötigt. Da das Internet so eher durchwachsen antwortet, entschließen wir uns, für Xiva eine Unterkunft (mit Waschmaschine) zu buchen. Die Bewertungen auf booking sind super, vor allem die sehr gut Englisch sprechende Tochter wird gelobt, wir entscheiden uns also für das Yoguz Guesthouse in der Altstadt. Unsere Navigation wird wenige hundert Meter vor dem Ziel von einer Fußgängerzone aus dem Tritt gebracht, daher laufen wir die letzten paar Meter. Im Hostel angekommen textet Bonu uns auch gleich zu , und ordnet an, dass ihre Mutter, die leider weder Englisch noch Russisch spräche, mit mir zum Auto laufen, und mir dann den Weg weisen werde. Ich versuche kurz abzulehnen, werde aber ignoriert. Zum Glück, denn spätestens am Einfahrt-Verboten-Schild des Nordtores der Altstadt wäre ich gescheitert. Mama Yoguz hält sich zwar stets eine Hand vor den Mund (Zähne?!) was sie aber nicht davon abhält, Kinder, junge Frauen und andere Autofahrer anzupflaumen, bis wir dann endlich direkt vor der Unterkunft stehen. Drinnen kommt mir meine Susi ganz aufgeregt entgegen und verkündet freudestrahlend: Wir sind zu einer Hochzeit eingeladen!! Häää?? Da ich ja ein bekennender Hochzeitsfan bin sage ich natürlich zu, wir springen alle noch schnell unter die Dusche und werfen uns in Schale. Dresscode: egal! Mit Bonu fahren wir ins 40 km entfernte Urgench zu einem Wedding Palace. Da ich mit ihr vorne sitze, und versuche, über Gott und die Welt (genaugenommen: Familie, Heirat, Werte) zu plaudern, wird mir wieder mal sehr schnell und schmerzlich bewusst, wie scheisse mein Englisch ist. Als ich frage, was man als Gast zu erwarten habe, antwortet sie zu meiner großen Beruhigung, es könnte höchstens passieren, dass man mir das Mikrofon gäbe, und ich meine Wünsche an das Brautpaar äußern dürfte. Beruhigend… Dazu kommt es jedoch nicht, als nicht der Landessprache mächtiger darf ich zudem bei den Frauen sitzen. Soweit wir es verstehen, ist dies nur die Feier für die Seite der Frau, wo die Männer sind ist auch unklar. Trotzdem sitzen um uns rum bestimmt 200-300 Leute. Die Braut sieht märchenhaft aus, bedankt sich aber nur bei den Anwesenden und posiert für Fotos. Sie wird die ganze Zeit von einem Fotografenteam umschwirrt, das später aber auch schnellstens entwickelte Fotos an die Gäste vertickt. Das Essen ist reichlich, Alkohol gibt es keinen (zumindest bei den Frauen) und der Zeitrahmen ist zumindest grob abgesteckt. Nach zweieinhalb Stunden löst sich die Veranstaltung wie von allein auf. Ida lässt sich gemeinsam mit anderen Bedürftigen von der Braut noch mit Hochzeitstorte füttern, bevor wir zurück nach Xiva fahren. Wir erhalten am nächsten Morgen unsere Registrierungsbelege und kaufen nach kurzem Stadtbummel und weiteren erfolglosen Abhebeversuchen erst noch ein. Wir übernachten 10km von der Grenze neben einem (verlassenen?) Basargelände, am Morgen gibt es noch eine Kontrolle durch einen Polizisten, die aber nur zwei Minuten und drei Handyfotos unserer Pässe dauert. Wir sind kurz vor 9:00 Uhr an der um 9:00 Uhr öffnenden Grenze.

Kasachstan- Halbinsel Mangyschlak

In der ersten größeren Ortschaft, die tatsächlich dann etwa 40km von der Grenze entfernt ist, gehen wir einkaufen. In einem neuen Land finde ich das immer sehr spannend. Das Gebäude ist eher rustikal, wir finden aber alles, was wir brauchen. Deutlich mehr Sachen als zuhause sind portionsweise verpackt und werden dann nach Gewicht verkauft. Neben Konfekt beispielsweise auch Butter und eine unüberschaubare Vielfalt an Keksen. Es gibt Anisplätzchen und wir kaufen leider eine viel zu kleine Tüte. An der Kasse darf dann auch mal wieder die Plastikkarte ran.
Um vom Fahren durch die Steppe etwas Abwechslung zu bekommen, versuchen wir erneut, ans Kaspische Meer zu kommen. Wir finden auch den von der App angegebenen Platz aber wieder nicht das Meer. Das ist in der Ferne bestenfalls zu erahnen, den Fahrzeugspuren auf dem Strand zu folgen trauen wir uns dann doch nicht zu. Also weiter durch die Steppe. Wir versuchen unterwegs, unserem Kind ein paar Hits der Neuen Deutschen Welle näherzubringen, bedauerlicherweise verfängt aber nur der Pädophilenklassiker Santa Maria, der irgendwie in die 80er Playlist gerutscht ist.
Die Übernachtung am Fluss, mit Angelversuchen und kleinem Lagerfeuer am Abend, ist aber recht nett, zumal man die (einzige!) Straße auch nicht hört. Wir bekommen noch kurz Besuch von zwei Anglern, die mit mir Anglerlatein austauschen und Susi wieder mal ignorieren. Die Besichtigung von Atyrau fällt recht kurz aus. Die Stadt liegt ebenfalls in Europa und Asien, wird vom Fluss Ural geteilt, geht damit aber nur dezent hausieren. Nach einem Aufenthalt bei KazBurger (mit Bedienung) stellen wir erstmal fest, dass weite Teile des Flussufers mit Sandsäcken zugebaut sind. Da bleibt also nur Spielplatz, und danach, um Susis Bewegungsdrang zu stillen, noch eine Hin-und-her-Überquerung der Europa-Asien-Brücke über den Ural im Nieselregen.
Wir fahren noch bis in die Nähe der Stadt Beyneu (Partnerstadt von Beirut und Bayreuth…) und stehen dann in der Nähe einer kleinen, verlassenen Moschee, die aus getrockneten Lehmklumpen gebaut ist. Es gibt auch einen kleinen Fluss, der aber nicht wirklich zugänglich ist. Der Ort wird auch von Einheimischen genutzt, wir bekommen ein Essen aus (Lamm-?) Fleisch und gegrilltem Gemüse geschenkt, das absolut super schmeckt. Als wir dann allein sind, machen wir ein kleines Lagerfeuer, beim Suchen der Steine für die Umrandung bringt Ida selbstverständlich einen Stein angeschleppt, der vorher zur Tarnung ihrer Hinterlassenschaften verwendet wurde.. Das Wetter bleibt medium, wir fahren, fahren, fahren und gelangen in die Hafenstadt Aktau. Entgegen unserem Reiseführer empfinden wir sie als ziemlich hässlich, sehen endlich das Kaspische Meer und geben Ida zu ihrer großen Freude in einem Kinder-Spieleland ab, das sich in einem kleinen Einkaufszentrum befindet. Wir fahren wieder nach Osten und besuchen die Nekropole Shopan Ata, Susi und Ida nehmen an der kleinen Zeremonie in einer unterirdischen Moschee teil. Die noch berühmtere Pilgerstätte Beket Ata lassen wir aus, wir hätten dafür vorher einfach noch mal tanken müssen. Stattdessen fahren wir wieder zurück und parken cineastisch wertvoll nahe des Felsens Sherkala. Im Regenwetter der Hinfahrt war uns die fantastische Landschaft leider völlig entgangen. Auch am nächsten Tag können wir spektakulär übernachten, eine Schotterpiste mit zwei (für uns) kniffligen Stellen führt zum White Mellow Rock, einer Landschaft wie von einem anderen Stern. Um einen Salzsee herum erheben sich Felsen, die ein Konditor nicht schöner hätte entwerfen können.
Der Gegenentwurf ist dann die nächste Übernachtung wieder in der Nähe von Beyneu, es ist zwar halbwegs ruhig, aber weder schön noch abgeschieden. Wir füllen noch Wasser und Diesel nach, bevor wir uns einen Tag früher als eigentlich geplant auf den Weg nach Usbekistan machen.

Transit Russland

Die Ausreise verläuft problemlos, die Einreise anfangs auch. Wir müssen kleine Zettelchen ausfüllen, das gelingt aber während des Vorrückens in der Fahrzeugschlange. Passkontrolle klappt scheinbar auch, ich darf schon weiter um mal wieder alles am Auto zu öffnen. Nachdem ich alles geöffnet und auch wieder geschlossen habe steht Susi aber immer noch am Passschalter. Offensichtlich gibt es Probleme mit der Maschinenlesbarkeit von Idas maschinenlesbarem Pass. Irgendwann gibt die Beamtin aber auf und winkt uns weiter. Der Öffnungsüberprüfungsmann weist mich an, zu parken und dann zu ihm zurückzukommen. Mache ich, tausche meine kurze gegen eine lange Hose, und erhalte einen Schnipsel (Talon) und drei DIN A4 Seiten. Bitte ausfüllen und dann zum zweiten Fenster. Mache ich im Auto, meine kluge Frau legt mir nahe, mir noch eine Jacke und die Wanderschuhe anzuziehen. Mit ausgefüllten Zetteln und Talon begebe ich mich dann zum zweiten Fenster, vor dem die Hölle los ist. Wenn sich das Fenster (verspiegelt) öffnet, drängen alle nach vorn und wedeln mit ihren ausgefüllten Zetteln. Zettel werden herein- und herausgereicht, nach kurzer Zeit schließt sich das Fenster wieder erbarmungslos. Alles ist völlig undurchsichtig. Nachdem ich irgendwann begriffen habe (büße dadurch eine Position ein, die vermutlich 20-30 Minuten entspricht), dass ich erstmal meinen Talon abgeben muss, beginnt das große Warten. Wenn man aufgerufen wird, darf man seine Zettel hineinreichen. Dafür wird eine Nummer aufgerufen, die ich zwar akustisch verstehe, deren Bedeutung mir aber unklar ist. Ich befürchte kurz, die Nummer auf meinem Talon übersehen zu haben, werde dann aber aufgeklärt, dass es sich hierbei um die Zahlen des Nummernschildes handelt. Bei wirklich jedem ist irgendwas nicht richtig ausgefüllt, alle versuchen dann, in aller Eile noch irgendwas auf ihre Zettel zu kritzeln. Einem chinesischen Paar versuche ich zu erklären, dass sie ihren Talon abgeben müssen. Englisch verstehen beide offenbar nicht, das hält den Mann aber nicht davon ab, in der Folge immer wieder zu versuchen sich vorzudrängeln. Glücklicherweise ist er damit bei den Georgiern an der völlig falschen Adresse. Irgendwann wird auch Seda Wosjemm aufgerufen, es fehlt allerdings die Heimatadresse. Für Irritation sorgt zudem, dass ich nirgends in Russland übernachten möchte. Ich erkläre dies und darf erst mal wieder warten. Dann möchte die Beamtin das Auto sehen, ist zufrieden, und ich darf nochmal warten. Irgendwann bekomme ich meine Zettel und darf weiterfahren. Allerdings nicht, ohne den jetzt abgestempelten Talon einem weiteren Beamten an einer Schranke auszuhändigen. Da ist es 15:45 Uhr.
Wir tauschen noch etwas Geld und erwerben eine Versicherung, bevor wir nach weniger als 10 km in die erste Polizeikontrolle kommen. Die Frage, wo wir gerade herkommen, empfinde ich schon als ziemlich dämlich, da es genau diese eine Straße direkt von der Grenze her gibt. Es wird aber noch etwas besser. Da ich die Frage nach der Zollerklärung (für die ich vier Stunden angestanden habe) falsch verstehe und nur meine Versicherungspolice zücke, werde ich in den Container gebeten. Hier wird mir wenig subtil eine Spende für die Kaffeekasse nahegelegt. Da ich vorgebe nicht zu verstehen (hauptsächlich aber eher geschockt bin) werde ich aber nach wenigen Minuten entlassen. Alle anderen Polizeikontrollen in den nächsten Tagen laufen problemlos ab.
Da meine russische SIM-Karte noch nicht aktiviert ist, begeben wir uns im mit Transparenten zum Tag des Sieges zugepflasterten Wladikawkas auf WLAN-Suche. Finden wir auch, in Form eines KFC. Funktioniert aber nicht. Nach einer weiteren Runde und mit größer werdendem Hunger ordnet Susi an, einen Sushiladen aufzusuchen, der auch WLAN hat. Es sind schon lange keine Röllchen mehr auf dem Teller, als wir herausfinden, dass öffentliche WiFis offenbar keine VPNs zulassen. Da nun alles passt, kaufen wir vor Freude gleich auch noch Bier und Konfekt.
Lust noch weiter zu fahren haben wir keine und übernachten daher in Wladikawkas auf einem Parkplatz in der Nähe des Flusses und eines Tretbootteiches, der auch mit einem Umlauf, Spielplätzen und Kaffeeautomaten aufwarten kann. Alles wird von uns genutzt, Idas übelst eingestaubtes Fahrrad kommt nach Säuberung zum ersten Großeinsatz.
Wir wählen den kürzesten Weg Richtung Kasachstan und fahren weiter durch Tschetschenien und schauen uns das schon von weitem glänzende und funkelnde Grosny an. Es mutet stellenweise wie ein kleines Abu Dhabi an, irgendwo aus der Richtung kam sicher auch das Geld… Kurz vor Schluss falle ich noch unangenehm auf. Der erste junge Mann begrüßt mich, heißt mich willkommen und weist freundlich darauf hin, dass das mit meiner kurzen Hose nicht so angebracht ist. Die nächsten beiden schreien einfach aus dem geöffneten Autofenster.
Da das Kaspische Meer am nächsten Tag gar nicht soweit entfernt scheint, versuchen wir in Lagan, uns irgendwie Richtung Wasser zu bewegen. Das scheint im Wolgadelta allerdings recht aussichtlos. Die örtliche Moped-Gang hält an und bestätigt unsere Vermutung. Zur Begrüßung nimmt ein Junge meine Hand in seine beiden Hände, ich hatte davon gelesen, bin aber doch kurz irritiert. Er und seine Freunde bieten uns an, uns ein nettes Plätzchen zur Erholung zu zeigen. Wir nehmen an und haben einen schönen Nachmittag an einem Bade-/Picknickplatz an einem Kanal. Susi wäscht Wäsche, ich versuche zu Angeln, Ida lässt Drachen steigen.
An unserem letzten kompletten Tag in Russland besuchen wir Astrachan. Wir schauen uns den Astrachaner Kreml an und gehen etwas an der Uferpromenade spazieren. Da unser Hochzeitstag ist laufen wir auch noch zum Wedding Palace. Das sieht aber eher spuckig aus, wir lassen uns lieber in einem der unzähligen herumstehenden Herzen ablichten. Auf dem Rückweg treibt uns der Hunger in eine Art Kantine. Die Dame hinterm Tresen rattert gleich ihr komplettes Angebot herunter von dem wir jedoch nur Pelmeni verstehen. Die handgeschriebene Speisekarte vermag ich auch nicht zu entziffern. Zum Glück gibt es ein paar Beispielgerichte zum Draufzeigen und wir bestellen Pelmeni, Schnitzelchen (die sich als panierter Fisch herausstellen) und einen Salat. Alles zusammen kostet etwa 3,70€. Wir fallen wieder unangenehm auf, da das extrem entkräftete Kind leider seinen Teller samt halber Portion runterschmeißt.
Vom letzten Bargeld wollen wir noch Tanken, da die erste Tankstelle auf kasachischer Seite 40 km hinter der Grenze sein soll (Stimmt allerdings nicht). Ich zögere zulange, und auf einmal sehen wir schon die russische Ausreisekontrolle. Also fahren wir nochmal zurück in die letzte Stadt. Und haben vermutlich gleich wieder die Hälfte der getankten neun Liter verfahren. Zum Abschied bekommen wir von Russland noch einen sehr schönen Sonnenuntergang.
Die Ausreise am nächsten Tag läuft geschmeidig, die Einreise noch geschmeidiger. Die kasachische Fahrzeugkontrolle dauert etwa sieben Sekunden. In einem Container, dessen sämtliche Wände, Decken, Böden, Möbel aus OSB-Platten bestehen tauschen wir noch Geld und erwerben eine Versicherung, wenige Meter weiter tanken wir voll. Alles zusammen hat deutlich unter zwei Stunden gedauert, russischer und kasachischer Grenzposten liegen zudem fast 10km voneinander entfernt.

Georgien

Unsere ersten Kilometer mit dem eigenen Auto auf georgischem Boden beginnen auf echt üblen Straßen und gleich mal mit einem Stau. Es hat einen Unfall gegeben, aber nach kurzer Zeit drängeln sich von beiden Seiten PKW durch und auch wir reihen uns ein.
Das Wetter bleibt, wie in den letzten Tagen, ziemlich regnerisch. Daher versuchen wir eher kleinere Programmpunkte in die Route einzubauen. Unser im Vorjahr als aktuell erworbener Reiseführer aus dem Trescher-Verlag empfiehlt, in Dashbashi von der Kapelle in die Schlucht abzusteigen und dort bis zum Wasserfall zu wandern. Wir finden zwar zur Kapelle, allerdings ist die Schlucht inzwischen komplett eingezäunt und es gibt eine Hängebrücke, eine Zipline und direkt gegenüber ein Ferienressort. Zumindest können wir im WLAN des Ressorts unsere eSIM aktivieren.
Die Fahrt geht weiter nach Bolnisi (deutsch: Katharinenfeld ), das wohl Mitte des 19. Jahrhunderts von schwäbischen Auswanderern gegründet wurde. Es gibt tatsächlich eine georgisch-deutsche Ausschilderung, einige Häuser vom Beginn des 20. Jahrhunderts sind noch recht gut erhalten (gibt’s in Gröbern aber auch…).

Mit ziemlich viel Luft im Tank fahren wir am nächsten Tag zum Höhlenkloster David Gareja, ein Ort den wir aus Zeitgründen im Vorjahr nicht geschafft hatten. Eine Sackgasse führt uns fast 50km Richtung aserbaidschanische Grenze. Unterwegs scheitert der Versuch der Bargeldbeschaffung kläglich. Da, wo Google Maps einen Geldautomat vermutet, ist nur eine Art Handyshop. Oder vielleicht auch ein Büro der Wasserwirtschaft… Letztlich sind diese Sorgen aber unbegründet, da man keinen Eintritt verlangt. Leider ist aber (inzwischen?!) nur noch das Kloster Lawra zu besichtigen, den Weg zu den weiter oben liegenden Höhlen und Kapellen verwehren zwischen den Büschen sitzende georgische Grenzpolizisten. Und dabei hatte der Reiseführer eigentlich eher vor aserbaidschanischen Ordnungshütern bei unsachgemäßer Nutzung des Grenzgeländers(!!) auf dem Bergrücken gewarnt.

Dermaßen wandermäßig unterfordert führt uns der Rückweg zunächst an eine Tankstelle (69L für 65€ bei 70-L-Tank) und dann ins Kloster Bodbe. Hier sollen die Gebeine von Nino, der Schutzheiligen Georgiens, liegen. Leider ist auch hier ein Teil der Anlage wegen Bauarbeiten gesperrt. Das Kloster Bodbe gehört zur Stadt Signagi, die einige hundert Meter weiter oben auf dem Berg liegt. Oder wenige Kilometer bergab und wieder bergauf, wenn man, wie wir, falsch abbiegt. Im Reiseführer als Ort mit mediterranem Flair angepriesen, entpuppt es sich als nettes, aber seeeehr touristisches Örtchen mit zugegebenermaßen grandioser Aussicht auf den Großen Kaukasus. Susis Zuneigung zu Georgien erhält eine weitere kleine Delle, als sich der einzahnige Drachen hinter dem Schiebefensterchen einer öffentlichen Toilette partout nicht darauf einlassen will, dass nur eine Person zahlt, da ja nur das Kind zu Toilette muss. Two Lari!! Ida stört es nicht, dass sie fünf Meter weiter abgehalten wird.


Den Osten Georgiens, in dem wir uns befinden, haben wir ja im letzten Jahr gar nicht gesehen, daher soll auch noch eine Wanderung in einem der beiden größeren Nationalparks absolviert werden. Wir entscheiden uns für den Lagodekhi-Nationalpark und das Wetter sich gegen uns. Nicht nur wegen unserer beschränkten Trocknungsmöglichkeiten ist an Wandern im strömenden Regen nicht zu denken. Da erhöhter Wäschewaschbedarf besteht und wir nur in der Hauptstadt entsprechende Etablissements finden führt unsere Route zurück nach Tbilisi. Über den Umweg Telavi, dem unser Reiseführer zumindest drei Sehenswürdigkeiten zugesteht. Sowohl die Cholokashvili-Street mit den Häusern mit den Holzbalkonen als auch der Basar sind recht zügig gefunden. Im wieder stärker werdenden Regen muss sich die fast 900-jährige Platane aber mit einem Drive-by zufriedengeben.


In Tbilisi ergattern wir einen der letzten Plätze auf DEM park4night-Hotspot direkt an der Sameba-Kathedrale. Dann begehen wir mehrere Fehler: wir gehen erst essen, wir bestellen viel zu viel, ich bestelle ein zweites Bier. Danach suchen wir den Waschsalon auf, aufgrund der geringen Auslastung werde ich zum Auto zurückbeordert, um auch noch die Bettwäsche zu holen. Anderthalb Kilometer und auch noch den Berg hoch sind mit vollem Bauch nicht ganz so schön, zumal mir die Strecke auch noch ein weiteres Mal bevorsteht. Am Auto sind dann alle (bis vielleicht auf das Kind) völlig im Eimer. Die Nacht in der frisch gewaschenen Bettwäsche entschädigt aber durchaus.


Auf unserer Einkaufsliste gibt es ein paar Langzeitpatienten, einen davon, ein Ladekabel für Susis Smartwatch können wir am nächsten Tag in einer Shopping Mall eliminieren. Zudem gibt’s für Susi zehn Minuten Massagesessel, während Vater und Kind durch die angeschlossene Kinderspielhölle schleichen, ohne eine geeignete Attraktion zu finden.
Auf unserem Weg entlang der georgischen Heerstraße nach Norden geben wir unsere vermeintlich letzten Laris für Kaffee und Autowäsche aus. Hätten wir uns beides sparen können, da der Kaffee eher wässrig schmeckt und das Auto nach wenigen Kilometern wieder genauso dreckig ist wie vorher. Wir übernachten kurz vor Gudauri, dem wohl bekanntesten Wintersportort Georgiens, in dem wir am nächsten Tag einen kurzen Stopp einlegen. Der Preis für den Tagesskipass in der Nebensaison beträgt etwa 17€. Da das Wetter schon den zweiten Tag fast gänzlich ohne Regen auskommt ziehen wir noch mal die Wanderschuhe an. Der Reiseführer empfiehlt das Truso-Tal und zumindest der Startpunkt ist auch leicht zu finden. Der Weg dann auch, allerdings sind noch viele Stellen durch Erdrutsche oder Schneeverwehungen blockiert. Hier kommen die kürzesten Beine im Team an ihre Grenzen und nach einem außerplanmäßigen Strumpfwechsel entscheiden wir, umzukehren. Es war trotzdem sehr schön, und vielleicht wagen wir ja auf dem Rückweg einen zweiten Versuch. Mit der aufgesparten Energie wandern wir noch (das letzte Stück) zur Gergeti Trinty Church hinauf. Proportional zur Anzahl der Sonnenstrahlen (verglichen mit unserem letztjährigen Besuch) ist aber auch die Anzahl der Besucher gestiegen. Wir übernachten am selbem Platz wie im Vorjahr und erreichen am nächsten Tag um 10:00 Uhr die georgisch-russische Grenze. (Zeit mal merken…)