Tadschikistan – der Nordwesten

Bemerkenswert an unserem Grenzübertritt nach Tadschikistan ist eigentlich nur, dass uns das Navi über einen nicht-internationalen Grenzposten durch Tadschikistan zur usbekisch-tadschikischen Grenze leiten möchte, und wir natürlich erstmal rechts ranfahren, als unvermittelt ein Grenzgebäude vor uns auftaucht. Dann dauert es nur wenige Sekunden, bis ein Uniformierter erscheint, und uns zum unverzüglichen Weiterfahren auffordert. Wir fahren die Straße zurück, bis das Mobilfunksignal ausreichend gut ist, werden aber auch hier nach wenigen Minuten von einer Patrouille ermahnt. Das ist für uns ziemlich nervig, aber obwohl wir ja nun auch schon mehrere Grenzen überquert haben, muss man sich immer wieder klar machen, dass wir durch das Schengenabkommen einfach megaverwöhnt sind. Welches Modell zukunftsträchtiger ist sei mal dahingestellt. Erst da stellen wir übrigens fest, dass der Grenzübergang nicht der gewünschte ist.
Am internationalen Grenzübergang ist sehr wenig los, nichtsdestotrotz agiert man eher gelassen. Wir, bzw. das Auto sind mal wieder die Attraktion, wir zählen diesmal mehr als zehn Personen, die, wie zuletzt, in erster Linie neugierig sind. Auf tadschikischer Seite ist die Arbeitsgeschwindigkeit ebenfalls überschaubar, es sind aber deutlich weniger Leute zugange. Nachdem die Einfuhrsteuer fürs Fahrzeug bezahlt ist, versucht sich ein älterer Herr noch 3$ fürs Zusammentackern und Abstempeln irgendwelcher Dokumente zu erschleichen. Da ich mich blöd stelle und ablehne muss er wohl noch etwas länger darauf sparen, sich seine vorderen Silberzähne vergolden zulassen.
Wir finden am Abend endlich mal wieder einen etwas windigeren Stellplatz, der Abkühlung für die Nacht verspricht und befreien noch die Drohne aus ihrem Versteck. Es geht auch gut weiter, da der erste angefahrene ATM sowohl Landeswährung als auch Dollar auswirft. Zur Ausfindigmachung wurde zwar das Internet genutzt, in Usbekistan hatte aber selbst das nichts genützt. Bargeld scheint aber auch nötig zu sein, da die ersten Tankstellen und Märkte alle nicht über ein Kartenlesegerät verfügen. Den eigentlich schon lange nötigen Platz, an dem wir mal nicht nur eine Nacht stehen finden wir am vierten der Sieben Seen (Haft Kul) im Nordwesten des Landes. Samarkand ist nur noch 60 Kilometer entfernt, hätte ich auf meine Wodka-Tomätchen-Gürkchen-Kumpels gehört, hätten wir schon vor eine Woche hier sein können. Wir gehen wandern, schaffen es zwar nur bis zum fünften See, haben am Ende aber trotzdem zwölf Kilometer geschafft und uns eine Dusche verdient. Der Modus soll beibehalten werden und wir bleiben zwei Nächte mit ziemlich spektakulärer Aussicht am Iskandarkul stehen. Wir machen die Bekanntschaft eines netten französischen Pärchens, das schon seit über einem Jahr unterwegs ist. Da sie auch den Pamir Highway fahren wollen, tauschen wir auch gleich Telefonnummern. Wir fahren am nächsten Morgen gemeinsam ab,
was ganz gut ist, da gleich am Anfang ein ziemlich gerölliger Anstieg zu bewältigen ist. Klappt aber ohne fremde Hilfe. Die Franzosen fahren weiter Richtung Duschanbe, wir wandern erst noch zum Fann-Niagara genannten Wasserfall, und anschließend zum Schlangensee der laut Reisführer besser zum Baden geeignet ist, weil wärmer. Es gibt natürlich ein “Baden verboten!“-Schild, aber der Angestellte der Forellenzucht erlaubt es uns ausdrücklich, zeigt uns auch die beste Stelle und schenkt uns auch noch gleich ein Brot. Man muss nicht erwähnen, dass der See natürlich scheißkalt ist… Wir fahren nach Duschanbe, essen in einem Lokal mit Flussblick zu (Früh-)Abend und fahren auch gleich wieder aus der Stadt heraus, da wir der Hitze entfliehen wollen. Wollen offenbar alle anderen auch, denn wir stehen über eine Stunde im Stau. Am nächsten Tag gehen wir im größten Supermarkt der Stadt (Auchan) einkaufen, bei dem allerdings die POS Terminals für die Kartenzahlung nicht funktionieren. Wir haben nicht mehr genug Bargeld, aber nach wenigen Momenten bezahlt ein Mann hinter uns in der Schlange den Einkauf, immerhin fast 70€ per App. Er will das Geld offenbar nicht mal wiederhaben, wir gehen dann aber gemeinsam zum Bankomaten. Seine Frau, die besser Englisch spricht, gibt mir auch gleich noch ihre Telefonnummer falls weitere Hilfe nötig sei. Hätten wir sie nur mal angetextet… Stattdessen bitten wir die Gastgeberin der gebuchten Ferienwohnung, bzw. ihre Schwester um Hilfe beim Erwerb der Genehmigung für den Pamir-Highway. Es funktioniert zwar alles reibungslos, allerdings ist sie offenbar der Meinung, sich an uns gesundstoßen zu müssen. Bei unseren Spaziergängen durch die wunderbar begrünte Stadt besuchen wir auf Susis Wunsch ein historisches Teehaus. Neben den vielen Schnitzereien sind noch das bisher schlechteste Schaschlik und das günstigste Bier (0,5 für etwa 55 Cent) bemerkenswert.
Unsere Route führt über eher schlechte Straßen über den Khoburobot-Pass (über 3200m und mit Bushaltestelle) zunächst nach Khalaykumb. Da neben der Straße meistens Schlucht oder Berg ist, ist die Auswahl schöner Plätze begrenzt. Unsere Tagesdurchschnittsgeschwindigkeit sinkt drastisch. In Khalaykumb saugen wir nach langer Zeit mal wieder das Auto aus, waschen clevererweise nicht, erwischen beim Tanken aber offensichtlich wieder minderwertigen Diesel. Zur Entspannung fahren wir ein paar Kilometer ins Bartang-Tal hinein, wo wir zumindest in Ruhe wandern und Wäschewaschen können. Auf der Straße nach Khorog, die ständig am Panj und somit der afghanischen Grenze entlangführt, wird stark gebaut. Theoretisch ist die Straße von 6:30 bis 18:00 gesperrt und nur in der Mittagspause von 12:00 bis 13:00 geöffnet. Da sitzen wir aber gemeinsam mit irgendwelchen Bauleuten im Cafe UdSSR bei Plov und Lagman. Praktisch soll es wohl immer mal kleinere Sperrungen geben. Stimmt leider nicht, wir stehen erst 30 und dann fünf Minuten. Und dann zweieinhalb Stunden. Da auf den offenen Straßenabschnitten viele Patrouillen unterwegs sind, stellen wir uns (abends!) unspektakulär zwischen ein paar LKWs , die in der Nähe eines Restaurants parken. Was sich abends schon angedeutet hatte wird am nächsten Tag Gewißheit: unsere hinteren Stoßdämpfer geben kurz nacheinander den Geist auf, schlagen immer wieder durch. In Khorog fahren wir dann in eine Werkstatt, die wir schon aus youtube-Videos anderer Pamirreisender kennen. Der Meister hat ein Jahr lang in Deutschland bei Mercedes gearbeitet, kann uns aber nicht helfen. Er empfiehlt uns, langsam bis nach Osh zu fahren, und legt uns nahe, unterwegs keinesfalls zu tanken, um Probleme mit dem Dieselpartikelfilter zu umgehen. Er sagt aber nicht ausdrücklich, welche Route wir wählen sollen und wir entscheiden uns für die längere, schönere und langsamere Route durch den Wakhan-Korridor.

Usbekistan reloaded

Die zweite Einreise nach Usbekistan verläuft etwas schneller als die erste, allerdings sind diesmal 39.000 statt 17.000 Som zu zahlen. Und die Kontrolle des Autos erfolgt diesmal durch noch mehr Beamte. Der Grund scheint zu sein, dass über den Grenzübergang offenbar kaum Autos fahren, und man wohl froh über etwas Abwechslung ist. Meine interne Liste von Stellen, an denen noch kein Grenzer geschaut hat wird um ein paar Positionen kürzer. Großes Interesse erregt Idas TipToi Stift. Da ich die Funktion selbstverständlich demonstrieren muss, kann ich mir anschließend das Lachen kaum verkneifen, als zwei Beamte im Buch rumtippen und ganz gespannt ihre Ohren an den Stift halten.
Da das Wetter inzwischen zumindest für unsere Verhältnisse sehr sommerlich ist, schieben wir die Stadtbesichtigungen von Buchara und Samarkand jeweils auf den späten Nachmittag. Früh wird ja eh meistens getrödelt, zwischendurch fahren wir oder gehen höchstens mal einkaufen. Am Kindertag besucht Ida in Samarkand wieder ein Indoor-Spieleparadies, während wir auf dem Foodcourt (ein Pizzaladen und ein Kaffeestand) entspannen. Nach dem Besuch des Registan inklusive abendlicher Lichtershow bleiben wir auf dem Parkplatz in der Nähe gleich stehen. Es dauert ewig, die heiße Luft etwas aus dem Auto zu bekommen, und obwohl es eigentlich recht ruhig ist nervt uns die ganze Nacht das Scheppern einer Klimaanlage an einem Gebäude in der Nähe. Auch wenn Besichtigungstouren bei Ida kaum Begeisterung auslösen möchte ich mir in Samarkand und Umgebung gern noch ein, zwei Sachen anschauen. Daher fahren wir am (späten) Morgen noch zur wunderschönen Nekropole Shoizinda und dann weiter zur Geburtsstadt Timurs, Shahrisabz. Dazu müssen wir über einen knapp 1700m hohen Pass, die Straße ist nur für PKW zugelassen. Hatte unser Reiseführer auch so gesagt. Verschwiegen hatte er, dass die Straße entlang eines kleinen Flüsschens komplett mit kleinen Restaurants zugepflastert ist, welche von Einheimischen offenbar gerade am Wochenende exzessiv genutzt werden. Bei deutlich über 30 Grad drehen wir nur eine kurze Runde durch die sehr gepflegte Anlage mit Timur-Statue und den imposanten Resten des Palasttores, telefonieren dann lieber an einem schattigen Plätzchen mal mit der Heimat. Wir übernachten gegen kleine Gebühr mit spektakulärer Aussicht am Pass, bekommen echt leckeren Kefir geschenkt, den leider niemand verträgt und machen noch die Bekanntschaft eines Herrenquintetts aus Samarkand, das sich bei uns erst Becher borgt und mich dann zu Wodka mit Tomätchen und Gürkchen einlädt. Dabei wird, wie stets, die Reiseroute erörtert. Meinen Plan, sich in Taschkent erstmal einen neuen Reifen zu besorgen, und dann Richtung Kirgistan weiterzureisen hält man für eher doof. Der würde locker noch ein Jahr halten! Stattdessen sollten wir doch hier gleich nach Tadschikistan abbiegen. Meine Grimassen bezüglich einer weiteren Einreise nach Usbekistan sorgen aber immerhin für betretenes, zustimmendes Nicken. Dann sind die Herren ganz schnell wieder verschwunden und ich erbe eine halbe Flasche Wodka und eine kleine Tüte Gemüse.
Leider steht am nächsten Tag wieder das leidige Thema Dieselbeschaffung an, und da ich im usbekischen Diesel einen Grund für die leuchtende Motorkontrollleuchte sehe ist mir nicht so recht wohl. Am Vortag hatten wir schon zwei Tankstellen angefahren, an einer lag der Tankwart schlafend auf der Couch, an der anderen war niemand zu sehen, auch nicht nach mehrfachem Hupen. Es braucht drei Anläufe, um eine Tankstelle zu finden, die Diesel nicht nur an der Tafel stehen, sondern auch vorrätig hat. Mit meinen rudimentären Kenntnissen der Stochastik überlege ich mir, an verschiedenen Tankstellen immer nur ein bisschen zu tanken, um vielleicht nicht nur Dreckssprit zu bekommen. So kommt es kurze Zeit später zu einem weiterem Tankstopp, da eine Station doch tatsächlich mit Euro5-Diesel wirbt. Das reicht dann zumindest, um die Hauptstadt Taschkent zu erreichen, wo wir als erstes unsere Autoversicherung verlängern müssen. Dies geschieht nicht in einem Büdchen sondern einem Büro, der Versicherungsschein sieht fast genauso aus, der Preis beträgt aber nur ein Fünfundzwanzigstel. Vor dem Gebäude quatschen wir noch kurz mit einem Rudel Motorraddänen, die sind zumindest noch eingestaubter als wir. Um unseren Staub ein wenig abzuwaschen besteht die Mama darauf, den nahegelegenen Akva Park zu besuchen, zu unserer großen Freude scheint Ida ihre Wasserscheu langsam abzulegen. Wir übernachten eher zweckmäßig, fahren zu Mercedes, um unser Reifenproblem zu lösen. Mercedes selber kann uns gar nicht helfen, allerdings nutzt man offenbar sein Netzwerk. Wir landen letztlich bei einem Reifenhändler und lassen uns die Hinterachse neu beziehen. Man geht eher rustikal vor (da ich das befürchtet hatte, war ich eigentlich zu MB gefahren) aber am Ende ist trotz nicht vorhandenem Drehmomentschlüssel alles wie gewünscht. Lediglich den Luftdruck korrigiere ich später selbst. Da die Stadt auch nachts warm und stickig ist entscheiden wir uns für ein Hostel, zu Fuß erreichen wir noch ein Restaurant und später, wie am Vorabend die Metro. Diese ist günstig und interessant ( da alle Stationen unterschiedlich gestaltet sind), warum allerdings Tickets immer nur ab der Station verwendet werden dürfen, an der sie gekauft wurden, ist uns völlig unklar.
Wir fahren zum Charvak-Stausee, sieht auf der Karte gut aus, wird vom Reiseführer empfohlen. Ist aber leider für uns nicht zu gebrauchen, da man kaum unentgeltlich ans Ufer kommt. Nach ewigem Rumgesuche schaffen wir es dann doch, an Baden ist aber unter anderem aufgrund vieler Glasscherben nicht zu denken. Wir übernachten irgendwo auf dem Rückweg nach Taschkent, wo wir nochmal mit Eurodiesel volltanken, bevor wir Richtung Ferganabecken abbiegen. Auch das Fahrzeug wird nochmal gesäubert, dabei kommt es zu einem weiteren Verlust: Ich stehe auf einem Hinterrad, klammere mich an der Markise fest und versuche mit dem Hochdruckreiniger das Dach zu säubern. Da mir körperlich schwere Betätigungen eher fremd sind, bleibt die Waschlanze natürlich nicht da, wo sie soll sondern schlägt nach oben aus. Genau auf meinen Kopf, was nur halb so schlimm wäre, hätte ich nicht die Brille noch auf der Stirn. Selbige zerbirst und natürlich gibt es auch eine kleine blutende Wunde. Frau und Kind sind selbstverständlich nicht in der Nähe, da sie sich irgendwo im Schatten abducken. Zumindest Susi trägt dann aber auch noch zur Fahrzeuginnenreinigung bei, als sie auf der Weiterfahrt äußerst dynamisch eine Flasche Sprudel öffnet. In Margilon besichtigen wir gemeinsam mit zwei Polen und zwei Russen eine Seidenmanufaktur, in Rishton wollen wir eigentlich den Keramikmeistern im Internationalen Keramikcenter bei der Arbeit über die Schulter schauen. Am frühen Abend scheint dort aber kaum noch was los zu sein, und wir entscheiden uns dafür, am nächsten Tag nochmal wiederzukommen. Gegen 10 Uhr morgens ist der Anblick aber unverändert. Die Türen der Läden sind zwar geöffnet, zu sehen oder zu hören ist aber kaum jemand. Wir schlendern also lieber nochmal über den Markt und kaufen dann sogar noch unsere ersten Souvenirs der Reise, bevor wir zur tadschikischen Grenze fahren.

Turkmenistan im Sauseschritt

Die Ausreise verläuft geschmeidig, auf turkmenischer Seite gelangen wir auch recht schnell bis zum Abfertigungsgebäude. Nachdem wir unseren Guide getroffen haben, darf ich die unorganisierteste Zollabfertigung ever erleben. Trotz einer Begleitperson, die der Landessprache mächtig ist, werden wir offenbar nur von einem Ahnungslosen zum nächsten geschickt. Nochmal und nochmal wir nachgefragt. Letztlich dient alles in unseren Augen nur dazu, soviel Cash wie nur möglich zu generieren. Das Auto wird desinfiziert (wir fahren durch ne Wasserpfütze), es wird ein Coronatest gemacht, man bezahlt eine Einfuhrsteuer, man bezahlt pro Kilometer (282$, die Kosten von 5$ für eine Tankfüllung relativieren sich da ein gaaaanz klein bisschen), man bezahlt Bearbeitungsgebühr und ganz zum Schluss Bankgebühren (??). Das Auto wird erst als Auto berechnet, dann aber doch als Minibüs. Als wir es bis zum Zoll geschafft haben, darf ich mir anhören, dass das Auto getönte Scheiben hat, was in Turkmenistan verboten ist. (Wußte ich, hatte ich aber verdrängt). Ich sage, dass ich dann wohl umdrehen müsse, was aber nicht die erwünschte Reaktion ist. Es wird diskutiert, bis auf Benjamin verstehe ich kein Wort, und selbst das weiß ich nicht zu deuten. (Herr Franklin, der von der 100$-Note grüßt). Mein Guide fragt mich letztlich, ob 50$ für mich ok wären, da ich zu dem Zeitpunkt nicht weiß, dass ursprünglich das Doppelte im Raum stand, sag ich erstmal nein. Ich biete 30 an, die es dann auch werden. Es erscheint einer der Gebührenberechner, dem, wie auch immer, aufgefallen ist, dass das Auto ja nur 5 Sitzplätze hat, was für einen Minibüs ganz schön wenig ist. Daher bekomme ich also wieder Geld zurück. Abzüglich Bearbeitungsgebühren 33$…
Unsere erste neue Erfahrung in Turkmenistan ist, dass uns junge Leute auf der Straße ansprechen, um sich mit uns zu fotografieren. Susi findet es ok, ich und der MarcoPolo, der meistens gar nicht gefragt wird, eher so mittel. Nach einem dringend nötigen Essen schauen uns wir ein paar Sehenswürdigkeiten in Konya-Urgench an, bevor wir uns auf die 270 Kilometer Holperpiste zum Darvaza Gas Krater machen. Wir bemerken eine Beule an einem unserer Reifen, sowohl Guide als auch Fahrer winken aber müde lächelnd ab. (Ein Taxifahrer, dem sie zwei Tage später auch auffällt schaut aber ziemlich besorgt…) Die Straße ist sehr schlecht, lediglich etwas besser als die bei der Einreise nach Usbekistan. Beim ständigen Bremsen und Gas geben geht zu allem Überfluss irgendwann auch noch die Motorkontrollleuchte an. Später wird es zumindest für mich aber noch unangenehmer. Wir treffen erst gegen 22:30 am Krater ein, essen dann noch ein bisschen was und trinken auch noch das unterwegs eingekaufte Bier. Als ich mich in der Jurte in den Schlafsack lege ist es halb zwei oder so. Ich liege aber nicht lange, da ich schneller aus der Jurte heraus sein muss, als mein Mageninhalt aus mir. Das Ganze erfolgt multidirektional. Aufgrund der Nähe zu unserer Toilette verbringe ich die restliche kurze Nacht zusammengeknickt auf der Rückbank unseres Autos. Aber wenigstens gut zugedeckt.
Ich trinke am nächsten Tag nur Tee, aber zusätzliche Toilettenpausen sind wegen mir zumindest nicht nötig. Die Straße wird dann irgendwann langsam besser, wir lassen dann unser Auto waschen, der Fahrer samt Fahrzeug wird komplett ausgetauscht, da Menschen aus der Provinz nicht in die Hauptstadt dürfen. (Ein Konzept, dass für Thüringen auf jeden Fall meine Stimme gehabt hätte…) Ebenfalls nicht in die Hauptstadt dürfen nichtweiße Autos. Das ist dem MarcoPolo aber egal. Wir werden zwar aufmerksam von den Polizisten, die ungefähr an jedem zweiten Kreisverkehr stehen, angeschaut, aber nicht angehalten. Zwecks Risikominimierung sind wir aber damit einverstanden, am Nachmittag und Abend bei Fahrer und Guide mitzufahren. Dazwischen wird geruht bzw. im Pool geplanscht. Abends gehen wir in einer Shopping Mall nen Happen essen, wo wir auch unsere „Reise“ bei dem Mann vom Reisebüro bezahlen, bei dem wir sie über Whatsapp gebucht hatten. Es gibt auch einen Spielbereich für Kinder, in dem Ida sich nur gar zu gern abparken lässt. Bei der nächtlichen Stadtbesichtigung sind ihre Augen dann genauso groß wie unsere, da wirklich alles mit bunten LEDs illuminiert ist.
Der Morgen/Vormittag ist für Mensch und Maschine sehr erholsam, über eine mautpflichtige Autobahn rollen wir etwa 300km nach Mary. Das kleine Restaurant, in dem wir essen hätten wir allein nie gefunden, da es von außen aussieht wie der Seiteneingang einer Garage. Das Essen ist aber sehr gut und sehr günstig. Unser Auto bleibt wieder stehen und wir besichtigen die Ruinen der antiken Stadt Merv. Uns fallen zwei ältere Frauen auf, die scheinbar gelangweilt durchs Gelände trotten. Wir erfahren, dass dies Beludschen seien, wenn es geregnet hat (wir haben keinen Regen gesehen, aber offenbar hat es das dann wohl) durchstreifen sie immer die Gegend, in der Hoffnung, freigespültes Gold zu finden.
Quasi zum Abschied gehen wir im Gartenrestaurant des Hotels einen Happen zu Abend essen. Die Bestellung erfolgt ganz modern über Tablet, lediglich die Preise hat man mal wieder vergessen. Der Service hingegen ist unterirdisch, unser Bier dauert länger als die Pizza.
Nach Volltanken und Lunch in einer Truckerkneipe begleitet uns unser Guide auch noch zur Grenze, nach dem üblichen Schraps-hat-den-Hut-verloren und weiteren 10$-Fantasiegebühr sind wir wieder raus aus Turkmenistan.

Uzbekistan – zum Ersten

Nach den bisherigen Erfahrungen sind zumindest die Ausreisen immer einigermaßen zügig vonstattengegangen, das ändert sich hier, da ich allein an der Passkontrolle fast eine Stunde warten muss. Die usbekische Seite dauert etwa genauso lange. Es ist eine Transitgebühr (oder was auch immer) zu entrichten, 17.000 Som(~1,30€). Da ich noch kein usbekisches Geld habe, darf ich auch in kasachischen Tenge bezahlen: 2000(~4,50€). Das Auto wird gleich von drei Leuten durchsucht. Eine Drohne wird nicht gefunden. Als ich beim Themenkomplex Reiseroute staunend nach meinem Beruf gefragt werde, verweise ich auf meine Herzensdame und ernte neidische Blicke.
Kurz nach der Grenze ist, wie gehabt, Geld zu tauschen und eine Versicherung zu erwerben. Obwohl durch das Internet gewarnt, sind die sofort ums Auto herumrennenden Menschen, die größtenteils Sturmmasken bzw. Tücher über Mund, Nase und Kopf sowie Sonnenbrillen tragen für uns ein klein wenig abschreckend. Die Frage nach einer SIM-Karte verneinen wir, tauschen dann aber Geld (Millionär in fünf Sekunden), zeigen Interesse an einer Versicherung fürs Auto und werden umgehend in ein Café bugsiert. Dort sitzt ein junger Mann, der gleichzeitig auf seinem Laptop rumhämmert, uns eine SIM-Karte anbietet, telefoniert und das Lokal verlassende Kunden abkassiert. Bei der Erstellung unserer Versicherungspolice klemmt es aber ein bisschen, meine Mädels essen also erstmal Schaschlik mit Salat und trinken einen Tee. Es klemmt weiterhin und irgendwann setzt sich der jüngere Bruder, der zudem besser Englisch spricht, ans Laptop. Er fragt erstmal nach einer SIM-Karte, kriegt es dann aber hin, irgendeine ominöse Variable der Zulassungsbescheinigung , Teil 2 korrekt ins System einzugeben. Er strahlt, und nennt dann einen Mondpreis… Aufgrund meines äußerst rudimentär ausgeprägten Verhandlungsgeschickes gelingt es mir nur, ihn um den Preis des Essens herunterzuhandeln. Trotz dieser kleinen Abzocke sind uns Usbekistan und seine Bewohner, die sich mit Tonnen von Material über die Grenze quälen, und dann gemeinsam frisch gegrilltes Fleisch essen auf Anhieb sympathisch. Im Gegensatz zu Usbekistans Straßen.
Was dann kommt ist in Worten kaum zu beschreiben. Um unpassende Vergleiche zu vermeiden: es ist die Abwesenheit einer Straße. Stellenweise ist etwas Asphalt zu erahnen. Dafür halbmetertiefe Löcher bis zum Abwinken. Und das ganze für 250 Kilometer. Ausnahmsweise kommt der Copilot mal seinen Kernaufgaben nach, und entdeckt, dass einige Fahrzeuge neben der Straße durch die Steppe fahren. Es gibt ein regelrechtes Wegenetz beidseits der Straße, welches wir dann auch benutzen. Allerdings nicht, ohne einen Preis dafür zu bezahlen: wir sind zwar schneller und vermeiden harte Schlaglöcher, der Dreck dringt aber überall ins Auto ein. Irgendwann können wir nicht mehr und bleiben einfach stehen. Leider nicht, ohne uns vorher beim Wenden kurz festzufahren. Um etwas positive Stimmung zu verbreiten, kündige ich für den nächsten Tag eine Duschmöglichkeit an. An einem hauptsächlich von Truckern genutztem Rastplatz, auf den vor uns zwei LKWs einbiegen, die gestern zeitgleich mit uns das Niemandsland zwischen Kasachstan und Usbekistan durchquert hatten, gibt es für kleines Geld ebenso Schaschlik wie zeitlich unlimitierte Duschen.
Die Suche nach einem für uns funktionierendem Geldautomaten wird zur unendlichen Geschichte. Unzählige Versuche schlagen mit irgendwelchen Fantasiefehlermeldungen fehl. Irgendwann wird es Susi zu bunt, und sie betritt energisch eine Bank. Ich bin nicht so überzeugt, da alles voller offensichtlich wartender Leute ist und unterhalte mich lieber vor der Tür mit einem älteren Herren (in Prenzlau gedient), der offenbar seine Rente abgeholt hat, da er eine Plastiktüte voller Geldscheinbündel dabei hat. Meine Frau ist aber doch recht schnell an der Reihe und schreit mir ein „Wieviel?“ entgegen. Ich rufe auf Russisch 600 zurück und bin dann mehr als erstaunt, da es ihr offenbar entgegen anderslautender Meldungen gelungen ist, in Usbekistan US-Dollar abzuheben. Im Nachhinein betrachtet rettet uns das ziemlich den A….
Es gibt, theoretisch, in Usbekistan eine Registrierungspflicht alle 72 Stunden. Diese nehmen im Normalfall Unterkünfte wahr. Es gibt auch eine App, für die man, nur ganz wenig zu kurz gedacht, eine usbekische Telefonnummer und eine usbekische Kreditkarte benötigt. Da das Internet so eher durchwachsen antwortet, entschließen wir uns, für Xiva eine Unterkunft (mit Waschmaschine) zu buchen. Die Bewertungen auf booking sind super, vor allem die sehr gut Englisch sprechende Tochter wird gelobt, wir entscheiden uns also für das Yoguz Guesthouse in der Altstadt. Unsere Navigation wird wenige hundert Meter vor dem Ziel von einer Fußgängerzone aus dem Tritt gebracht, daher laufen wir die letzten paar Meter. Im Hostel angekommen textet Bonu uns auch gleich zu , und ordnet an, dass ihre Mutter, die leider weder Englisch noch Russisch spräche, mit mir zum Auto laufen, und mir dann den Weg weisen werde. Ich versuche kurz abzulehnen, werde aber ignoriert. Zum Glück, denn spätestens am Einfahrt-Verboten-Schild des Nordtores der Altstadt wäre ich gescheitert. Mama Yoguz hält sich zwar stets eine Hand vor den Mund (Zähne?!) was sie aber nicht davon abhält, Kinder, junge Frauen und andere Autofahrer anzupflaumen, bis wir dann endlich direkt vor der Unterkunft stehen. Drinnen kommt mir meine Susi ganz aufgeregt entgegen und verkündet freudestrahlend: Wir sind zu einer Hochzeit eingeladen!! Häää?? Da ich ja ein bekennender Hochzeitsfan bin sage ich natürlich zu, wir springen alle noch schnell unter die Dusche und werfen uns in Schale. Dresscode: egal! Mit Bonu fahren wir ins 40 km entfernte Urgench zu einem Wedding Palace. Da ich mit ihr vorne sitze, und versuche, über Gott und die Welt (genaugenommen: Familie, Heirat, Werte) zu plaudern, wird mir wieder mal sehr schnell und schmerzlich bewusst, wie scheisse mein Englisch ist. Als ich frage, was man als Gast zu erwarten habe, antwortet sie zu meiner großen Beruhigung, es könnte höchstens passieren, dass man mir das Mikrofon gäbe, und ich meine Wünsche an das Brautpaar äußern dürfte. Beruhigend… Dazu kommt es jedoch nicht, als nicht der Landessprache mächtiger darf ich zudem bei den Frauen sitzen. Soweit wir es verstehen, ist dies nur die Feier für die Seite der Frau, wo die Männer sind ist auch unklar. Trotzdem sitzen um uns rum bestimmt 200-300 Leute. Die Braut sieht märchenhaft aus, bedankt sich aber nur bei den Anwesenden und posiert für Fotos. Sie wird die ganze Zeit von einem Fotografenteam umschwirrt, das später aber auch schnellstens entwickelte Fotos an die Gäste vertickt. Das Essen ist reichlich, Alkohol gibt es keinen (zumindest bei den Frauen) und der Zeitrahmen ist zumindest grob abgesteckt. Nach zweieinhalb Stunden löst sich die Veranstaltung wie von allein auf. Ida lässt sich gemeinsam mit anderen Bedürftigen von der Braut noch mit Hochzeitstorte füttern, bevor wir zurück nach Xiva fahren. Wir erhalten am nächsten Morgen unsere Registrierungsbelege und kaufen nach kurzem Stadtbummel und weiteren erfolglosen Abhebeversuchen erst noch ein. Wir übernachten 10km von der Grenze neben einem (verlassenen?) Basargelände, am Morgen gibt es noch eine Kontrolle durch einen Polizisten, die aber nur zwei Minuten und drei Handyfotos unserer Pässe dauert. Wir sind kurz vor 9:00 Uhr an der um 9:00 Uhr öffnenden Grenze.

Kasachstan- Halbinsel Mangyschlak

In der ersten größeren Ortschaft, die tatsächlich dann etwa 40km von der Grenze entfernt ist, gehen wir einkaufen. In einem neuen Land finde ich das immer sehr spannend. Das Gebäude ist eher rustikal, wir finden aber alles, was wir brauchen. Deutlich mehr Sachen als zuhause sind portionsweise verpackt und werden dann nach Gewicht verkauft. Neben Konfekt beispielsweise auch Butter und eine unüberschaubare Vielfalt an Keksen. Es gibt Anisplätzchen und wir kaufen leider eine viel zu kleine Tüte. An der Kasse darf dann auch mal wieder die Plastikkarte ran.
Um vom Fahren durch die Steppe etwas Abwechslung zu bekommen, versuchen wir erneut, ans Kaspische Meer zu kommen. Wir finden auch den von der App angegebenen Platz aber wieder nicht das Meer. Das ist in der Ferne bestenfalls zu erahnen, den Fahrzeugspuren auf dem Strand zu folgen trauen wir uns dann doch nicht zu. Also weiter durch die Steppe. Wir versuchen unterwegs, unserem Kind ein paar Hits der Neuen Deutschen Welle näherzubringen, bedauerlicherweise verfängt aber nur der Pädophilenklassiker Santa Maria, der irgendwie in die 80er Playlist gerutscht ist.
Die Übernachtung am Fluss, mit Angelversuchen und kleinem Lagerfeuer am Abend, ist aber recht nett, zumal man die (einzige!) Straße auch nicht hört. Wir bekommen noch kurz Besuch von zwei Anglern, die mit mir Anglerlatein austauschen und Susi wieder mal ignorieren. Die Besichtigung von Atyrau fällt recht kurz aus. Die Stadt liegt ebenfalls in Europa und Asien, wird vom Fluss Ural geteilt, geht damit aber nur dezent hausieren. Nach einem Aufenthalt bei KazBurger (mit Bedienung) stellen wir erstmal fest, dass weite Teile des Flussufers mit Sandsäcken zugebaut sind. Da bleibt also nur Spielplatz, und danach, um Susis Bewegungsdrang zu stillen, noch eine Hin-und-her-Überquerung der Europa-Asien-Brücke über den Ural im Nieselregen.
Wir fahren noch bis in die Nähe der Stadt Beyneu (Partnerstadt von Beirut und Bayreuth…) und stehen dann in der Nähe einer kleinen, verlassenen Moschee, die aus getrockneten Lehmklumpen gebaut ist. Es gibt auch einen kleinen Fluss, der aber nicht wirklich zugänglich ist. Der Ort wird auch von Einheimischen genutzt, wir bekommen ein Essen aus (Lamm-?) Fleisch und gegrilltem Gemüse geschenkt, das absolut super schmeckt. Als wir dann allein sind, machen wir ein kleines Lagerfeuer, beim Suchen der Steine für die Umrandung bringt Ida selbstverständlich einen Stein angeschleppt, der vorher zur Tarnung ihrer Hinterlassenschaften verwendet wurde.. Das Wetter bleibt medium, wir fahren, fahren, fahren und gelangen in die Hafenstadt Aktau. Entgegen unserem Reiseführer empfinden wir sie als ziemlich hässlich, sehen endlich das Kaspische Meer und geben Ida zu ihrer großen Freude in einem Kinder-Spieleland ab, das sich in einem kleinen Einkaufszentrum befindet. Wir fahren wieder nach Osten und besuchen die Nekropole Shopan Ata, Susi und Ida nehmen an der kleinen Zeremonie in einer unterirdischen Moschee teil. Die noch berühmtere Pilgerstätte Beket Ata lassen wir aus, wir hätten dafür vorher einfach noch mal tanken müssen. Stattdessen fahren wir wieder zurück und parken cineastisch wertvoll nahe des Felsens Sherkala. Im Regenwetter der Hinfahrt war uns die fantastische Landschaft leider völlig entgangen. Auch am nächsten Tag können wir spektakulär übernachten, eine Schotterpiste mit zwei (für uns) kniffligen Stellen führt zum White Mellow Rock, einer Landschaft wie von einem anderen Stern. Um einen Salzsee herum erheben sich Felsen, die ein Konditor nicht schöner hätte entwerfen können.
Der Gegenentwurf ist dann die nächste Übernachtung wieder in der Nähe von Beyneu, es ist zwar halbwegs ruhig, aber weder schön noch abgeschieden. Wir füllen noch Wasser und Diesel nach, bevor wir uns einen Tag früher als eigentlich geplant auf den Weg nach Usbekistan machen.