Vorwärts immer, rückwärts nimmer…
Zumindest aus Sicht unseres Getriebes… Global betrachtet ging es aber nun unweigerlich zurück. Allerdings nicht, ohne zu versuchen noch ein paar Ecken mitzunehmen, die auf dem Hinweg unserem Zickzackkurs zum Opfer gefallen waren.
Los ging es in Albanien, das unsere Erwartungen als „Geheimtipp“ bislang nicht so recht erfüllen konnte. Unser Balkan-Reiseführer (Trescher-Verlag, würden wir weiterempfehlen) legte uns Butrint ans Herz. Kurz nach der griechischen Grenze und einem kurzen Extrastopp, da wir dachten, uns verfahren zu haben (war aber richtig, sah nur nicht so aus) standen wir vor einer Fähre die ohne weiteres bei Waterworld hätte mitspielen können. Wenige Minuten später und nachdem uns der Fährmann aber mal so richtig abgezogen hatte standen wir vor dem Eingang des Weltkulturerbes. Es handelt sich hierbei um eine auf einer kleinen Halbinsel liegende ehemalige Hafenstadt, in der Griechen, Römer, Osmanen und schließlich die Venezianer ihre Spuren in Form teilweise sehr gut erhaltener Bauten hinterlassen haben. Die Präsentation ist ansprechend auch wenn man unserer (nicht relevanten) Meinung nach dem Ganzen nicht die gebührende Aufmerksamkeit (von offizieller Seite her ) entgegenbringt. Vermutlich aus Geldmangel.
Den Rest des Nachmittags verbrachten wir mal wieder mit Stellplatzsuche, wir wurden schließlich, und schon im Dunkeln, am Strand von Borsh fündig. Neben uns standen französische Wohnmobilisten, die bei meinem Höflichkeitsbesuch vor Allem ihre Hoffnung zum Ausdruck brachten, unser Kind würde nachts nichts zu hören sein, da sie sich den Platz ja extra wegen der Stille ausgesucht hätten.
Meine Überlegungen, ihnen vors WoMo zu kacken hätte ich mir indes sparen können, da den ganzen Abend von einer Strandbar Discomusik herüberdröhnte und später Dauerregen einsetzte. Dieser trieb mich mitten in der Nacht nochmal vor die Schiebetür, um zu checken, dass wir nicht aus Versehen in einem ausgetrockneten Flussbett geparkt hatten.
Als kleiner Ausgleich kam am nächsten Morgen eine nette, junge Französin zum Schwatzen vorbei, deren Auto, in dem sie lebt, auch in der Nähe parkte.
Die südliche Küste Albaniens gefiel vor allem mir wirklich sehr gut, da es nur vereinzelt kleinere Orte gibt und allein das Befahren der kurvigen Küstenstraße mit jeder Menge fantastischer Ausblicke auf kleine oder größere Buchten ein Erlebnis ist. Trotzdem beschlossen wir nach Tanken, Einkauf, Snack an der Autobahn, Strandspaziergang in Golem und dem Ausgeben unserer letzten Albano-(+ Romina Power) Dollars (eine Büchse Bier und eine Tafel Schokolade) das Land noch Richtung Montenegro zu verlassen. Das gelang gerade so, nach unserem rückblickend anstrengendsten Tag trafen wir wieder im Dunkeln am Großen Strand nahe Ulcinj ein. Dabei gerieten wir auch noch zum zweiten Mal in eine Verkehrskontrolle, zum zweiten Mal wurden wir aber nach Erkennen unseres Kennzeichens freundlich weiter gewunken. Man wird offenbar nicht als Melkkuh gesehen, was ich durchaus bemerkenswert finde. Mir fallen auf Anhieb mehrere Nachbarländer ein (mit und auch ohne Sprachbarriere) wo das ganz anders gehandhabt wird.
Die Nacht am Großen Strand war wie die vorige sehr stürmisch und regnerisch, erfreulicherweise aber angenehm temperiert. Die noch funktionierenden sanitären Einrichtungen konnten wir morgens aber nur teilweise nutzen, zum Duschen hätte man sich wegen des Windes vermutlich vier Meter neben die Dusche stellen müssen. Wir hatten vorgehabt, unseren südlichsten kroatischen Platz der Hinfahrt nochmal aufzusuchen, wegen des anhaltend miesen Wetters wurde es aber der bosnisch-herzegowinische Meereszugangszipfel Neum, wo wir erstmalig einen offiziellen WoMo-Stellplatz nutzten, der in der Nebensaison unentgeltlich war. Am nächsten Tag wurde der Zwischenstopp auf Zadar gelegt, wo wir dieses Mal aber keine Bremssteine wechselten, sondern die Altstadt und die Meeresorgel besuchten. Es gab dann noch eine Übernachtung im kroatischen Wald, die Temperatur am Morgen betrug 3,5 Grad. Völlig unerwartet (aus Sicht der Mutter) hat das Baby die Nacht aber unbeschadet überstanden. Die letzte Nacht wurde aber in einem richtigen Bett geschlafen. Und zwar in Brno im U Heligonky. Einziger Aufreger für mich war, dass man es, aus welchen Gründen auch immer, nach wie vor nicht schafft, eine offizielle Autobahnvignette überall zu einem offiziellen Preis anzubieten, sondern offenbar jeder das Ding verschachern darf wie er will. Aber das hatten wir ja schon (s.o.).
Am nächsten Tag erreichte der Streifenwagen gegen 16:43 mit weiteren 7009 Kilometern auf der Uhr Gröbern am See.
Antío elláda
Nach Athen fuhren wir wieder landaufwärts, obwohl wir eigentlich noch gerne bis Istanbul gefahren wären. Leider reichte die Zeit dafür nicht und wahrscheinlich würde uns auch keiner den Streifenwagen für gutes Geld abkaufen und wir könnten zurück fliegen. Den Gedanken hatten wir tatsächlich.
Also machten wir uns langsam auf den Rückweg, natürlich nicht ohne noch etwas Kultur mitzunehmen. Als erstes wollten wir uns Delphi anschauen und den Spuren meiner Familie aus dem Jahr 1992 folgen. Meine Erinnerungen an damals bestanden hauptsächlich aus Säulen und Steinen, was auch daran lag, dass mein Bruder einen kompletten Film (für den Fotoapparat. für die jüngeren Leser unter uns) verbrauchte mit nur Steinen und Säulen. Was ich nicht mehr im Gedächtnis hatte waren die vielen Stufen innerhalb des Geländes. Was wir neu dazu lernten ist die Bedeutung und sprachliche Übersetzung von Gymnasium. Was so viel hieß wie eine Sportstätte, in der man NACKT turnt. Nur gut, dass man das heute nicht mehr übersetzt oder damit in Verbindung bringt.
Am nächsten Tag hatten wir das erste Mal keinen Sonnenschein und noch dazu fing es auch an zu regnen. Aus unserem Spaziergang mit Kaffeetrinken wurde nicht viel. Der Spaziergang wurde stark verkürzt und Kaffee tranken wir auf einer wettergeschützten Terrasse. Da der erste Schlafplatz uns nicht so recht anstand und der Regen weiter fiel, suchten wir in der Nähe weiter und fanden einen tollen Regenplatz. Er glich einem Carport und das war echt von Vorteil, denn jeder der schon mal bei Regen im Auto geschlafen hat weiß,wie laut das ist. Am nächsten Morgen war der Regen verzogen. Ida und ich machten einen Strandspaziergang und Micha warf die Angel aus. Tatsächlich hatte er fast zweimal einen Oktopus an der Angel. Aber auch die Tipps der einheimischen Angler halfen nix. Es gab wieder keinen Fisch auf den Teller.
Wir machten uns gechillt gegen Mittag auf in Richtung Berge, genauer gesagt zur Vikos Schlucht. Die Schlucht selber wandern konnten wir nicht, da dies sieben Stunden gedauert hätte. Was mit Ida im Gepäck etwas schlecht ist. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. So liefen wir aber zumindest in Wanderschuhen zum Aussichtspunkt der Schlucht und machten ein paar Fotos mit dem grimmigsten Baby der Welt vor der tiefsten Schlucht der Welt. Woher sie den Blick nur hat?
Unsere letzten beiden Tage in Griechenland wollten wir nochmal in Ruhe am Strand verbringen. Ida machte inzwischen auch Fortschritte was das Krabbeln angeht, sie kommt zumindest von einem Ende des Streifenwagens zum anderen Ende.
Vor unserer Abfahrt Richtung Albanien sprangen wir auch nochmal ins Meer und genossen eine Dusche am Strand bei 21 Grad am 2.11.2019, was gibt es Schöneres, während Deutschland schon bibbert.
Euros nach Athen tragen
Die Fahrt nach Athen erfolgte über die Autobahn, die auch hier mautpflichtig ist. Was Herrn Baedeker zu dem Zusatz „aber relativ günstig“ bewog ist für uns nicht nachvollziehbar. Wie schon in Nordmazedonien wird alle paar Kilometer kassiert, was ziemlich nervig ist und für jede Menge Klimpergeld im Portemonnaie sorgt. (Apropos Maut in Nordmazedonien: Da gibt es (ähnlich wie bei der slowenischen Vignette) eine Kategorie für Fahrzeuge, die an der Vorderachse höher als 1,30m sind. Die ersten beiden kassierenden Herren gaben mir das in vorauseilendem Gehorsam zu viel hineingereichte Geld mit verständnislosem Blick zurück, die Olle im dritten Mauthäuschen kassierte eiskalt den höheren Betrag…) Man kann meistens zwischen Videomaut, Kassierer oder Automat wählen. Beim ersten Mal Automat waren 40 Cent zu zahlen, die Maschine gab mir für den eingeworfenen Fünfziger 30 Cent zurück. Solchermaßen ermutigt bezahlte ich die 3,20 € beim nächsten Blechkasten mit einem 5-Euro-Schein. Rückgeld diesmal: 70 Cent… Möglicherweise hätte mich das Symbol für Automat ja doch etwas mehr zur Vorsicht anhalten sollen, es sieht so aus, als ob Euros in einen Abfallkorb geworfen werden.
Jedenfalls hatte meine liebe Frau wieder ein schickes Apartment gebucht, bei dem uns lediglich die Aufkleber neben den Toiletten verwirrten. Eine Rückfrage beim Vermieter ergab, dass wirklich KEIN Papier, egal welcher Art ins Klo sondern in die daneben stehenden Eimer soll. (Hab ich aber trotzdem gemacht, habe es halt etwas länger einweichen lassen 😉 )
Wir packten das Kind in den Wagen und machten uns auf den Weg zum etwa 3km entfernten Strand, an dem google von verschiedenen Restaurants wusste. Die Idee war an sich gut aber leider nicht zu Ende gedacht bzw. an die örtlichen Gegebenheiten angepasst. Ich versuche ja schon, den Andere-Länder-andere-Sitten-Gedanken nicht aus den Augen zu verlieren. Aber es gibt einfach Sachen, die auch von einem (gefühlt) objektiven Standpunkt aus eher wenig Sinn machen. Dass der Fußweg an einer Hauptverkehrsstraße innerorts nur 40-50cm breit ist kann ich akzeptieren. Dass alle paar Meter Lichtmasten. Werbetafeln oder Bushaltestellen mitten auf diesen paar Zentimetern stehen finde ich ziemlich merkwürdig. Jedenfalls war es ein ziemliches Gezerre mit dem Kinderwagen.
Am Strand bestellten wir im Restaurant zwei Vorspeisen (Tsatsiki war alle!!) und ich mir eine kleine Meeresplatte. Netterweise empfahl die Kellnerin Susi, auf ihre Garnelen zu verzichten, da die ja auf meinem Teller eh mit drauf wären und die Portionen typischerweise eher großzügig. Netterweise verzichtete Susi auf einen Großteil meiner Garnelen und auch auf alles andere von meinem Teller. Lediglich beim Kuchen (aufs Haus!) konnte sie nicht „Nein“ sagen.
Obwohl es bergauf ging, inzwischen auch dunkel war und mein Magen vor lauter frittierten Oktopussen schmerzte schafften wir den Rückweg in kürzerer Zeit als den Hinweg. Wenn dem Baby der Kältetod droht kennt Susi keine Gnade…
Am nächsten Tag stand Kultur auf der Agenda. Aber vorher: Parken. Richtig große kommerzielle Parkhäuser scheint es kaum zu geben, wir haben jedenfalls nur auf Plastikstühlen hockende Wächter über diverse Hinterhöfe gesehen. Auf die Frage Lihwing? When Lihwing? eines dieser Herren antwortete ich schulterzuckend mit Six? Und wurde prompt in die hinterste Reihe beordert. Überflüssig zu sagen, dass bei unserer Rückkehr kurz nach vier mehrere Fahrzeuge vor uns standen. Allerdings währte der Schreck nur kurz, da überall die Schlüssel steckten und wir zügig freigeschaufelt wurden.
In der Zeit zwischen Ein- und Ausparken haben wir die Akropolis besucht, obwohl mich der Andrang fast schon zum Umdrehen bewogen hatte und hinterher in einem Restaurant, in dem es sogar Tsatsiki gab eine Fleischplatte bestellt, bei der diesmal Susi auch satt wurde. Der Grund des unerwartet hohen Andrangs klärte sich auch recht schnell, es war griechischer Nationalfeiertag und der Eintritt daher umsonst.
Im Land der Götter
Unsere Einreise nach Griechenland verlief super, endlich gab es die von Micha erwähnte EU Spur und außer uns kein EU Bürger weit und breit in Sicht, komisch ;).
Ab jetzt ließen wir es etwas ruhiger angehen, wollten in den nächsten Tagen keine größeren Städte und Menschenmassen sehen. Wir wollten uns treiben lassen. Zunächst landeten wir auf einem scheinbar ehemaligen Campingplatz in einem kleinen Dorf. Außer uns gab es nur ein paar Angler und noch einen Camper aus England. Am späten Nachmittag machten wir noch einen kleinen Spaziergang durch das Dorf und fanden sogar einen Supermarkt und es kam noch besser. Dort gab es eine passende Gaskartusche für unseren Kocher für kleines Geld. So klein das Dorf auch war, hatte es gefühlt 10 Kneipen., die zwar nicht mehr alle offen waren, aber egal. Vor Jahren muss hier wohl mal der Bär gesteppt haben.
Am nächsten Tag fuhren wir weiter in Richtung Athen, das war unsere geplante Endstation in ein paar Tagen. Nach zwei Stunden strandeten wir an einem einsamen Strand. Alle Hotels und auch der Campingplatz sowie die Bars waren bereits geschlossen. Es gab nur ein paar Einheimische die hierher zum Baden kamen. Da der Campingplatz geschlossen war, konnten wir das Schild Camping verboten getrost ignorieren. Wo sollten wir denn sonst hin? Am Strand trafen wir neben streunenden Hunden noch eine Dame die Deutsch sprach und uns erklärte im Nachbarort gibt es offene Geschäfte und Cafés. Wir fanden ein niedliches Café mit selbst gebackenen Leckereien. Da Ida inzwischen auch richtig gut sitzen kann, machten wir es uns dort auf dem Sofa bequem. Am nächsten Morgen sprangen wir ins Meer und konnten die Duschen am Strand nutzen. Das Schild, bitte ohne Shampoos duschen, hatten wir zu spät gesehen. So ging es auch die nächsten zwei Tage weiter. Wir fuhren immer ca. zwei Stunden und suchten uns dann ein ruhiges Plätzchen. Wir standen an einer kleinen Fischerbucht und einem weiterem kleinen Strand. Wir schafften es sogar unsere Stühle, den Tisch und das Sonnensegel aufzubauen. Micha warf ab und zu noch die Angel aus und kochte uns ein leckeres One Pot Essen. Rezept kann gerne nachgeliefert werden. Alles in allem ließen wir so richtig die Seele baumeln. Selbst Ida war gechillt, zumindest am Tag. Am Sonntag machten wir uns dann auf nach Athen.