Am nächsten Morgen lockte der Badesee mit Steg und
Sprungturm, die Lufttemperatur und vor allem der Wind hielten aber die Badenixe
der Familie( dieselbe Person, die erst meint, nur noch wild campen zu wollen,
aber nach anderthalb Tagen mit ein paar Mücken wutentbrannt eine Übernachtung
für den Abend bucht…) von einem Badegang ab. Also ich wäre dabei gewesen.
Bis zur Fähre hatten wir jetzt noch etwa 50 km und
anderthalb Tage Zeit. Um uns dem Thema Tourismus sanft zu nähern (klappte gut)
drehten wir zuerst in Porvoo eine Runde mit dem schreienden Kind im Wagen. Es
gibt hier eine kleine Altstadt mit vielen Holzhäusern und einige Speicherhäuser
am Wasser. Das Wetter hatte sich gebessert und somit auch unsere Laune.
Am frühen Nachmittag fuhren wir dann weiter nach Helsinki, wo mit dem Auto erstmal sämtliche Spots abgefahren wurden. Nur zum Teil gewollt, unser Navi hatte mal wieder Probleme, sein inneres Gleichgewicht zu finden. Wir suchten dann ein Parkhaus auf, um uns auch alles noch mal zu Fuß anzuschauen. Dabei wandelten wir ein wenig auf den Spuren der kreuzfahrenden Familie Daniel (am Olympiastadion ist jetzt nicht nur abgesperrt, es wird auch richtig gebaut) aus 2016, entdeckten aber auch neues, wie das Muumin-Cafe. Das außer uns allerdings hauptsächlich von Asiaten frequentiert wurde. Ich musste zwar diesmal keinen wegrempeln, aber kam nicht drumrum, eine ungefragt direkt neben mich gestellte Tasche ungefragt wieder wegzuschieben. Im Muumin-Shop fanden wir nichts, das, was Susi gefiel, war ihr zu teuer. Was ihr auch gefiel, war das offenbar kostenlose Schwimmbad im Hafen, bedauerlicherweise hatte sie ihre Badesachen aber nicht dabei.
Da das Grillen am Vorabend ja suboptimal gelaufen war, wollten wir auf dem Weg zur geplanten Übernachtungsstelle mal noch schnell eine neue Gaskartusche besorgen, da der Grill ja auch Wasserkocher und somit für die morgendliche Kaffeeherstellung unabdinglich ist. Decathlon gibt’s in Finnland nicht aber schon am nächsten großen Einkaufstempel (groß bedeutet groß!!!), der mit einem 24 h geöffneten Prisma-Markt warb, war von einem XXL-Sports & Outdoor zu lesen. Drinnen war der Outdoor-Bereich recht übersichtlich (außer man zählt die Gummistiefelabteilung dazu), möglicherweise haben ja die meisten Finnen immer einen heißen Stein vom letzten Saunabesuch in der Tasche. Es gab dann auch Kartuschen, die eigentlich wie unsere aussahen aber anders lackiert waren. Wurden mitgenommen.
Die Ernüchterung folgte am nächsten Morgen auf unserem Stellplatz mit idyllischem Blick auf den Containerhafen von Vuosaari: die elende Kartusche passte fast, aber eben nur fast. Die Kartusche hat haargenau die gleiche Größe, der Anschluss ist aber minimal anders. Ein Hoch auf die freie Marktwirtschaft. Da es nicht so stürmisch war wie zuletzt, haben wir mit der alten Kartusche aber zumindest noch unser Kaffeewasser heiß bekommen. Während ich den Bus von Schlaf- auf Fahrbetrieb umrüstete machten Susi und Ida die Bekanntschaft einer Familie mit zwei kleinen Kindern aus Hamburg, die mit einem umgebauten DHL-Auto namens Lieselotte unterwegs war. Für ein Jahr!
Da wir keine rechte Lust hatten, nochmal in Helsinki halbe
Monatslöhne für Parkhäuser aufzuwenden, vertrödelten wir die Zeit mit einem
Spaziergang auf der Halbinsel Kivinokka, die von kleinen bunten Datschen
übersät ist und der Ausgangspunkt des Interesses für Freizeit und Erholung in
den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts war. Wir ließen uns im
Künstlercafe Maijan Kahvila einen Kaffee und selbstgebackene Munkkia
(verschiedenste Blätterteigteilchen) schmecken,
bevor wir zum Fährhafen fuhren.
Ich vertrete ja immer die (möglicherweise politisch nicht
ganz korrekte) Meinung, dass es bei Pass-, Zoll- oder sonstigen
Sicherheitskontrollen am schnellsten geht, wenn man die Schlange mit den am
wenigsten suspekten Personen/Fahrzeugen auswählt. Dachte sich der Lette hinter
mir möglicherweise auch, der seinen Kollegen schon am Abschleppseil auf die Fähre
zog. Es lief auch ziemlich zügig in Spur Nummer drei. Bis der Finne kam. Es
wurde diskutiert, lamentiert, telefoniert. Irgendwann wurde er auf eine
Warteposition geschickt. Dann kam der Deutsche. Wieder Stillstand. Griff zum
Funkgerät. Dann kam eilends eine andere junge Frau mit einer Art Riesenmessschieber
herbei und maß (in meinen Augen hochgradig unprofessionell und zudem noch an
der falschen Stelle) am Auto des Deutschen herum. Dann ging es endlich weiter.
Ich hatte dämlicherweise beim Buchen der Fähre die Autokategorie nicht näher beachtet, und so unter 1,90m gebucht. Laut Schein ist die Karre 1,957. Musste aber nicht nachzahlen. War vielleicht gut vollgetankt.
An Bord gönnte ich mir auf den Schreck erstmal ein Bier auf dem Sonnendeck (7€) und später im TaxFree ein 24er Pack für 13,90. Matti Nykänen wäre stolz auf mich gewesen. Noch mehr aber vermutlich auf den Typen, der trotz der überall herumhängenden Schilder, doch bitte keine mitgebrachten oder im Shop gekauften Alkoholika zu verzehren etwa 5m nach dem Ende der Kassenzone dabei war, seine gerade erstandene Wodkaflasche schon wieder zuzuschrauben.
Finnland war schon jetzt das für mich sprachlich faszinierendste Land unserer Reise. Während mit Englisch und Deutsch und ein wenig Fantasie zumindest Geschriebenes im Rest Skandinaviens doch recht gut zuzuordnen ist, geht ja in Finnland dahingehend mal gar nix. Man weiß nie, ob das Schild am Straßenrand jetzt Glatteisgefahr, Sommerschlussverkauf oder Tierarzt heißt. Wie ich das Hinweisschild auf die Ortschaft Uusikaupunki übersetzte, kann man ja sicher erraten….