Insomnia (I can’t get no sleep)
Genauso entspannt und zielsicher wie der Einschlafprozess verlief auch Susis übrige Nachtruhe. Sie hatte ja auch kein Feuer zu hüten. Ich hingegen, der Nahrungsbeschaffungs- und Gefahrenabwehrbeauftragte, wachte in dieser Nacht gefühlte 34mal auf. Weil sich wer unterhielt (einmal bestimmt zwanzig Minuten direkt zwischen unserem Auto und dem daneben) , weil irgendwer den Motor seines Autos laufen lies, weil uns wer einparkte… Endgültig mit Dösen vorbei war es, als kurz nach 7 Uhr der Betreiber des Schon-Ewig-Zu-Kiosks Tische und Stühle auf seine Terrasse zerrte.
Morgentoilette, Frühstück und Email-Check erledigten wir im selben Restaurant wie am Abend zuvor, außerdem buchte ich für die kommende Nacht eine standesgemäßere Unterkunft: Das Hotel Grand! Für 35€. Mit Frühstück…
Ebenfalls standesgemäß (heißt hier: passende Durchfahrtshöhe der Tiefgarage) wurde das Fahrzeug abgeparkt und wir schauten uns etwas in der Altstadt Sarajevos um. Und buchten uns nach kurzer Zeit eine Stadtführung. Die 5€ Aufpreis von Englisch auf Deutsch wurden weltmännisch gespart. Da bis zum Beginn noch Zeit war, fuhren wir mit der Seilbahn zu den Überresten der olympischen Bobbahn von 1984. (Die wir im Rahmen der Führung auch noch mal besuchten, das wussten wir da aber noch nicht) Vom Hausberg, Trebevic, hat man eine überragende Sicht auf Sarajevo, also wurde eifrig das Fotoequipment bemüht.
Da ich kurz zuvor, in Zagreb, gelernt hatte, dass man echte Cevapcici nur in Sarajevo bekommt, gingen wir vor unserer Führung noch in eine nett aussehende kleine Kneipe in der Altstadt, um diese lokale Spezialität in Kombination mit einem lokalen Bier zu verkosten. Highlight war mal wieder der Wirt, der Bedienung, Barkeeper und Koch in Personalunion war und auch alle Jobs zu unserer Zufriedenheit erledigte. Und natürlich auch zu der unserer Reisekasse, da Bosnien-Herzegowina sehr sehr preiswert ist. Die Ewiggestrigen kommen hier ebenfalls auf ihre Kosten: der Kurs der noch relativ jungen Währung, Konvertible Mark, ist im DM-Verhältnis an den Euro gekoppelt.
Gegen 14:00 Uhr waren wir wieder am Tourismusbüro, wo wir auf unseren Guide David trafen. Da er sich kürzlich beim Sport die Hand demoliert hatte, gab es obendrauf noch eine Fahrerin, eine Dame im gesetzten Alter, die uns die nächsten vier Stunden chauffierte. David versicherte uns, dass sie kein Wort unserer englischen Unterhaltung verstehen würde. Da sie konsequent die Anzeige „Rear trunk open“ im Cockpit ignorierte kam das wohl hin. Thematisch ging es bei der Führung hauptsächlich um die Belagerung Sarajevos im bosnisch-serbischen Krieg von 92 bis 95. Wir schauten uns einige Schauplätze (mit mehr oder minder trauriger Berühmtheit) und zum Schluss den Ausgang eines Fluchttunnels mit angeschlossenem Museum an. Auf dem Weg zu den Überresten der olympischen Bobbahn (mit dem Auto, nicht mit der Seilbahn) fuhren wir noch durch einige serbische Stadtviertel, um die aktuelle politische Lage zu veranschaulichen. Wirklich sorgenfrei ist man hier leider noch lange nicht.
Nach unserer Tour machten wir uns auf die Suche nach unserem Hotel, die durchaus schwieriger war als gedacht, zumal wir am Vorabend schon etliche Runden in dieser Ecke der Stadt gedreht hatten. Letztlich fanden wir es aber doch und konnten unsere 35€-Suite beziehen. Zumindest für das Zimmer konnte man den Preis als angemessen bezeichnen. Beim Abendessen wollten wir mal auf Schnitten verzichten und uns im (Hotel-) Restaurant was gönnen. Hätten wir mal Schnitten gegessen… Es war definitiv das schlechteste Essen, was man mir jemals gegen Bezahlung vorgesetzt hat. Wer dann auch noch so dumm ist, sich das Tagesmenü aufschwatzen zu lassen… Gut war nur, dass Susi mit bezahlen dran war, die sich ja bekanntermaßen beim Trinkgeld nicht groß mit Sentimentalitäten aufhält.
Wir beschlossen, dass sich das „Grand“ wohl eher auf Quantität denn auf Qualität beziehen musste, denn trotz deutlicher Defizite wuselten doch etliche Reisegruppen aus Osteuropa und Asien bis zu später Stunde lärmend durch die Gänge. Susi konnte mich auch nicht ganz davon abhalten, irgendwelche Möbelstücke vor die Hotelzimmertür zu wuchten.