Yssykkul, Berge und Bishkek
Wir fahren endlich zum „Kirgisischen Meer“, dem Yssyk Kul, finden aber auf den Rasenflächen am Westufer keinen, allen Reiseteilnehmern adäquaten Platz. Also holpern wir auf der alle 500m durch Baustellen unterbrochenen Straße am Südufer noch ein ganzes Stück weiter und fahren dann durch den Canyon of forgotten Rivers, einer Schotterpiste, die ziemlich eindrucksvoll durch ein ehemaliges Flussbett führt, etwa 10km zum See. All das wird zum Gamechanger für die nächsten Tage. Nachdem wir an den für meinen Geschmack viel zu vielen parkenden Reisefahrzeugen ein ganzes Stück vorbei gefahren sind und uns in Parkposition manövrieren kommt auf einmal ein Junge auf einem Fahrrad angefahren. Er erzählt uns, dass er Joshua heißt und sein Fahrrad sieben Gänge hat und sein Papa Ingenieur ist. Er lädt uns direkt zur Besichtigung ihres LKW (der Dino heißt, und uns am Song Kol entgegengekommen war) und Ida (die sich wie immer hinter ihrer Mutti versteckt) zu Stockbrot ein. Joshua ist genauso alt wie Ida, und da sich die beiden super verstehen reisen wir einige Tage gemeinsam mit ihm, seinem jüngeren Bruder seinen Eltern und ab und an auch noch ein paar anderen Leuten aus aller Welt. Auch Steffi und Malte bestätigen uns, dass ihre Reise kaum jemals so wenig anstrengend war. Vervollständigend muss man anmerken, dass gemeinsam reisen bedeutet, dass Familie Joshi etwa halb sieben aufsteht, frühstückt und dann losfährt, während bei Familie Ida oftmals bis fast 9 Uhr geratzt wird und kaum mal eher als 11 Uhr gestartet wird. Holen wir aber unterwegs wieder auf.
Nach zwei Nächten am Yssyk Kul geht es weiter zum Skaska Canyon, dem Märchencanyon. Das wir erst am Nachmittag ankommen ist eher weniger schlimm, da wegen der Hitze noch keiner den Canyon näher erkundet hat. Im Licht der untergehenden Sonne ist er besonders schön und auch nicht mehr ganz so stark von Besuchern frequentiert. Da es mit Parkplätzen im Canyon im wahrsten Sinne „eng“ aussieht, ist die Entscheidung, wieder zum Yssyk Kul zu fahren, schnell und einstimmig getroffen. Unser Platz ist diesmal noch näher am See, und der Zugang zum Wasser ist auch etwas besser. Aus meiner Sicht völlig unerwartet kommt die mitgeschleppte Strandmuschel sogar noch zu ihrem ersten Einsatz. Abends stoßen noch Carlos und Maggy mit ihrem LKW und etwas später (weil im Sand steckengeblieben und von Carlos professionell mit der Winde befreit) auch Thierry und Olga mit ihrem Sprinter dazu. Die Kinder spielen den ganzen Tag am Strand, die Erwachsenen wechseln sich lediglich beim Zuschauen ab. Nach wiederum zwei Übernachtungen geht es aber doch noch mal in die Berge. Im Barskoon Tal kann man (extrem anstrengend) Wandern oder auch verschiedene Denkmäler für Juri Gagarin anschauen. Der Tourismus hält sich in Grenzen, für das leibliche Wohl ist jedoch gut gesorgt. Wir wandern mit den Kindern erst zum Manas Bowl Wasserfall und wollen dann auch noch zum weiter oben liegenden Tränen des Leoparden Wasserfall queren. Da die Kinder immer quengelicher und der Weg immer steiler wird, beschließen die Mamas, umzukehren. Die ambitionierten Papas laufen noch ein paar hundert Meter weiter, als es aber nur noch steil über Geröll bergauf geht, und mein zum Mittagessen verspeister Lagman kurz davor ist, wieder herauszukommen, kann ich auch Malte überzeugen, zurückzulaufen. Ursprünglich sollte das unser letzter gemeinsamer Abend sein, wir entschließen uns aber, noch eine Nacht weiter oben, am Ara Bel See, dranzuhängen. Von da aus will Joshis Familie eine mehrtägige Offroadtour machen. Ebenfalls mit im Boot ist eine solo reisende Belgierin, die am Abend eintrifft. Ein großes Plus ist, dass ein sehr großer Teil des Weges instandgehalten wird, da er zu einer in Betrieb befindlichen Goldmine führt und in unseren Augen zu recht als die beste Schotterpiste Kirgistans bezeichnet wird. Nach üblichem gemächlichen Morgen gehen wir ein kleines Stück wandern und dann auch noch Mittag essen. Als wir gegen 13:00 aufbrechen, kommen uns aber die Franzosen schon wieder entgegen. Hmmm? Wir brettern trotzdem schön mit 80/90 km/h den Berg hoch, ein liegengebliebener SUV, dessen Insassen offenbar um Hilfe bitten bremst uns aber wieder ein. Es gibt einen platten Reifen, allerdings funktioniert der Absenkmechanismus des Reserverades irgendwie nicht richtig. Einen superduper Tipp habe ich aber leider auch nicht. Es halten aber kurz darauf noch zwei Kasachen mit einem Pick-Up. Es ergibt sich alsbald folgende Arbeitsteilung: der englischsprechende Kasache schraubt und macht und tut, der andere, Sascha, versucht sich mit mir auf Russisch zu unterhalten und mir Tipps für Kasachstan zu geben. Außerdem empfiehlt er mir wärmstens den Baikalsee. Da das Reserverad nicht zu befreien ist, wird sich entschieden, den Reifen zu reparieren. Mein Beitrag besteht immerhin aus Fit (zur Schadstellenlokalisierung) und dem Kompressor. Angeblich ist irgendwann alles wieder ok und wir können weiter. Da kommt uns auch die Belgierin von oben entgegen. Nochmal hmmm. Als wir dann etwas später am kleinen, feinen Ara Bel See eintreffen sind auch Carlos und Maggi und die Dinobesatzung am Aufbrechen. Es ist ziemlich kalt und ziemlich windig, zudem hat Malte Kopfschmerzen , vermutlich der Höhe geschuldet. Wo wir schlafen ist uns recht egal, wir laufen auch hier nochmal ein paar Meter, treffen eine Gruppe französischer Fahrradfahrer, machen ein paar Fotos und fahren dann wieder von 3800 auf 2500m runter. Am Abend gibt es noch einen schweren Ausrüstungsverlust, da unser beratungsresistentes Kind auf der falschen Seite des Autos Fußball spielt und das dazu benötigte Sportgerät ein Opfer der reißenden Fluten wird.
Am Morgen nehmen wir dann aber erstmal voneinander Abschied, machen aber lockere Pläne für ein Wiedersehen in Kasachstan. Der Mann mit der Reifenpanne von gestern taucht auch noch einmal auf, bedankt sich nochmal überschwenglich bei mir, bestätigt, dass der Reifen gehalten hat und macht natürlich auch noch Fotos. Joshuas Familie fährt zwar in die gleiche Richtung wie wir, will aber in Karakol am Ostufer des Sees ein paar Tage Pause machen. Wir fahren weiter, wollen am Nordufer entlang nach Bischkek und den See somit einmal umrunden. Vom Nordufer raten viele andere Reisende ab, da es sehr touristisch und sehr überlaufen ist. Unsere Einschätzung weicht davon nicht ab,ab Grigorievka ist aber die Straße wenigstens wieder sehr gut. Der Rest ist wie Türkische Riviera nur ohne salziges Wasser. Die Stellplatzsuche wird wieder schwieriger. Unser einziges kleines Highlight ist der Besuch im Petroglyphenpark. Trotz der Hitze findet Ida Gefallen daran, nach Steinen mit Tiergravuren Ausschau zu halten. Die Hitze soll auch unser ständiger Begleiter in den nächsten Tagen bleiben. Um ihr zu entkommen, fahren wir erst ins Chong Kemin Tal nahe der kasachischen Grenze, der Reiseführerverspricht hier ein Wanderparadies. Wir habe keine wirkliche Route rausgesucht, laufen einfach den Berg hoch Richtung eines in der Navigationsapp gefundenen Aussichtspunktes, treffen aber tatsächlich auf einige deutsche Wanderer. Wir fahren weiter (nach Westen) Richtung Bischkek, übernachten im Kegetital ziemlich nah am Fluß, was bei Ida immer besonders gut ankommt. Wir besuchen, mehr oder weniger fotostoppmäßig das von Deutschen gegründete und bewohnte Örtchen Rotfront. Es gibt ein kleines Museum, für dessen Besuch wir uns auch versucht hatten, anzumelden, der Museumsbetreiber weilt aber zur Zeit im Urlaub in Deutschland. Wir schlendern noch kurz über den kleinen Friedhof und erfreuen uns der vielen Rechtschreibfehler. Eigentlich wollen wir vom Ort (und Heilbad) Yssyk Ata zum nahegelegenen Wasserfall wandern. Aber auf den letzten Kilometern sind beide Straßenränder komplett zugeparkt, Kurut-, Kümüs-, Ayranstand reiht sich an seinesgleichen. Ich drehe genervt um, fahre wieder aus dem Tal raus, den Berg runter. Kühle Übernachtungsmöglichkeiten sind rar, in unserer Verzweiflung schreiben wir per whatsapp ein privat betriebenes Waisenhaus an, das kostenfreie Stellplätze für Reisende anbietet. Als dann eine Antwort kommt haben wir uns aber bereits ein wenig spektakuläres Plätzchen an einer Kiesgrube gesucht. Wir verabreden uns aber für den nächsten Abend. Wir vertrauen mal wieder unserem Reiseführer (Fehler!!!) und holen die Wanderung zu einem (anderen) Wasserfall nach. Die Formulierung „hinter dem Dorf beginnt die Wanderung…“ ist leider etwas unscharf, die 15 kmSchotterpiste wurden aus Versehen verschwiegen. Am Abend treffen wir dann auf Allen, Cheryl und ihre Kinder. Wir können auf dem Grundstück stehen, Bad und Küche benutzen. Allen und Cheryl sind Amerikaner, die das Waisenhaus vor 17 Jahren eigentlich nur vorrübergehend übernommen haben. Zu Hochzeiten lebten hier 34 Kinder, inzwischen sind es deutlich weniger. Die jüngsten sind 12, 13 Jahre alt, aber auch einige ältere (von denen mehrere adoptiert wurden) sind da. Nach anfäglichem Geschäme tobt Ida mit den beiden Fußhupen Rascal und Amy durchs Gebäude, wir schnorren mehrere kostenlose Mahlzeiten und nehmen auch (aus eigenem Antrieb) an einem zweisprachigen( Russisch und Englisch) Gottesdienst teil. Der Schwimmbadbesuch zwischendurch ist aus meiner Sicht eher ein Reinfall. Es ist sacketeuer, am Eingang herrscht Blockabfertigung, aus unerfindlichen Gründen müssen wir unseren Namen und den unseres Kindes auf einen Fragebogen schreiben und schliesslich ist das Gelände nicht viel größer als zwei Aldis. Rasen gibt es gar nicht, nur Beton, Stühle und mit Planen zugehangene Metallzäune. Aber zumindest die Bademeister nehmen ihren Job sehr ernst und man muss sich als Erziehungsberechtigter wenig Sorgen machen, dass der Spross vielleicht aus Versehen das falsche Becken betritt.
Um die Zeit bis unserem Termin in Almaty rumzukriegen fahren wir nach einem kleinen Stadtrundgang in Bischkek doch noch für zwei Tage in den nahen Ala-Artscha Nationalpark. Zu unserer hellen Freude verteilen sich die Menschen und wir können zwei kleine Wanderungen, (fast) zu einem Wasserfall und zum Alpinistenfriedhof machen. Wir haben die Freude eines zügigen Grenzübertritts nach Kasachstan und können im Ort direkt an der Grenze auch alle wichtigen Formalitäten erledigen (Versicherung, SIM-Karte, Geld, Kantine)