Wakhan-Korridor und Pamir-Highway
Auf einem Platz nahe der heißen Schwefelquelle Charmgazma treffen wir wieder auf die Franzosen, diesmal in Begleitung eines belgischen Pärchens, mit denen sie zusammen durch China fahren wollen, eines Motorradfahrers und eines weiteren Pärchens, das mit dem Tandem unterwegs ist. Auch die Belgier haben Probleme mit den Stoßdämpfern und den Kardanwellen. Irgendein Gehäuse ist gerissen und soll wohl vorübergehend mit Plastiktüten und Panzertape abgedichtet werden… Am Morgen versuchen wir auf einer Wanderung zuerst eine weitere heiße Quelle zu finden, was mangels Brücken nur mit einem ziemlichen Umweg gelingt. Die Quelle ist leider nicht mal lauwarm und zudem total veralgt. Daher wird nach Rückkehr und Mahlzeit dann doch noch das dem Örtchen den Namen gebende Schwefelbad aufgesucht. Herren dürfen in den Außenbereich, die Damen baden indoor. Kaum habe ich mich zu Wasser gelassen werde ich auch gleich von verschiedenen Herren interviewt. Mein Russisch hat sich noch nicht deutlich verbessert, zum Tausch der Eckdaten reicht es aber. Da ich mit Susi eine Zeit vereinbart habe, muss ich aber irgendwann los und es wird sich für den Parkplatz vor dem Bad verabredet. Erst langsam finden wir heraus, dass man das Bad wohl heiltherapeuthisch bei Hautkrankheiten nutzt, die Jungen und Männer um uns herum kommen aus allen Teilen des Landes. Irgendwann spielt Ida dann mit vier oder fünf anderen Kindern Uno. Es taucht ein Typ in Uniform auf, der es uns trotz des Hinweises, dass es ein Kinderspiel sei, untersagt, weiterzumachen. Selbstverständlich beugen wir uns dem, mehrere Leute, allen voran der Griller vom Schaschlikstand direkt daneben, versichern uns aber, dass man den ignorieren könnte und so geht es dann auch noch eine Weile weiter. Es werden noch Telefonnummern getauscht (falls mal wer ne Adresse für ein Visum für Deutschland braucht) und dann noch ein paar Kilometer gefahren. Die folgenden Tage, an denen auf der rechten Seite stets der Hindukusch zu sehen ist, verbringen wir mit der Besichtigung von zwei Festungen (Khala Kakh Ka und Yamchun) die schon zur Sicherung von Handelsrouten und Einflussbereichen genutzt wurden, als an den Begriff Wakhankorridor noch lange nicht zu denken war. Es gibt auch ein weiteres warmes Bad, diesmal in der heißen Quelle Bibi Fotima. Da der Spritverbrauch aufgrund der geringen Geschwindigkeit viel zu hoch ist, beschließe ich, über die kürzere und schnellere Nordroute nochmal zurück nach Khorog und dann vollgetankt und mit etwas Extrakraftstoff Richtung Osh zu fahren. Gerade vor der Einmündung beider Strecken besteht die südliche Route fast nur noch aus Waschbrettpiste, unser Tagesschnitt sinkt auf 16 km/h. An einem kleinen See , an dem wir Pause machen wollen treffen wir wieder auf die Belgier und die Franzosen. Letzteren ist an ihrem Sprinter leider inzwischen der Rahmen gerissen. Als wir unsere Pläne erläutern bekommen wir sofort 20L Diesel angeboten, zumindest ich lehne aber vehement ab. Nach weiteren 10 Kilometern Waschbrett erreichen wir die nördliche Route, die uns schon von weitem als schwarzes Asphaltband entgegenleuchtet. Die Freude ist aber nur kurz auch hier gibt es einige richtig üble Streckenabschnitte. Richtung Khorog wird es dann aber langsam besser, und da Samstag ist fahren wir als erstes zum Cross-Border-Market in Tem. Aus unserer Sicht unterscheidet dieser sich nicht so sehr von anderen Märkten, lediglich die afghanischen Verkäufer sind anders gekleidet. Das sehen die Tadschiken aber offenbar anders, denn es ist brechend voll. Dementsprechend schlecht ist auch die Parkplatzsituation und die einzige Option ist, schräg und leicht im Straßengraben zu parken.
Als wir mit einer Tüte Nudeln als einziger Ausbeute zurück am Auto sind werden dann auch meine Befürchtungen wahr: ein Rad dreht durch, wir kommen nicht mehr auf den Weg zurück. Während ich fahrig noch vergeblich versuche, über den Bordcomputer das ESP auszuschalten haben sich aber schon fünf oder sechs Leute gefunden, die gemeinsam unser fabelhaft dreckiges Auto wieder auf festen Untergrund schubsen. Nach der Erledigung aller Besorgungen wollen wir uns noch den botanischen Garten anschauen, den höchstgelegenen Asiens. Wir stehen aber irgendwann vor einer geschlossenen Schranke und sehen auch ein Schild, welches verheißt, dass Samstag und Sonntag geschlossen ist. Blöd… Aber noch beim Wenden kommt jemand aus dem Büdchen neben der Schranke gelaufen und winkt uns zu sich ran. Selbstverständlich wäre heute geöffnet, wir müssten nur kurz bei ihm zahlen und dann könnten wir den Berg hoch brausen. Machen wir, finden dann aber keinen Eingang, nur ein Hotel. Meine Frau macht mich darauf aufmerksam, dass ich weder eine Quittung noch Tickets bekommen hätte… Letztlich finden wir neben dem Hotelgelände dann aber doch noch das richtige Tor und haben dann das ganze Gelände mit vier anderen Besuchern und zwei Angestellten (vermutlich! Hatten Gartengeräte dabei) für uns allein. Es gibt hauptsächlich Bäume und Sträucher aus aller Welt, alles ist wie ein Wald angelegt. Das wirkt angenehm homogen, macht allerdings die Identifizierung einzelner Gewächse eher schwierig, da es zum einen nur zwei Hauptwege und ein paar Trampelpfade gibt, zum anderen sind die Schilder nur auf Russisch und Latein und oftmals sehr verblichen. Wir bewegen uns aber zumindest nochmal, bevor wir wieder Richtung Kirgistan aufbrechen. Unser hochintelligentes Kind weist bei einer kleinen Pause darauf hin, dass doch überall Tannenzapfen rumliegen würden, und wir doch kaum noch welche zum Betreiben unseres Kelly Kettle bzw. zum Starten eines Lagerfeuers hätten. Wir schlagen uns kurz an den Kopf, und fangen dann fleißig zu sammeln an.
Die nördliche Route (die wir nun schon zum zweiten Mal befahren…) ist nicht ganz so spektakulär aber trotzdem schön. Das Tal ist deutlich breiter, wodurch es einfacher ist, auch mal einen schönen entspannten Stellplatz zu finden, bei dem auch mal wieder Fußball, Frisby und Drohne rausgekramt werden. In der Nähe des Zusammentreffens der beiden Routen, südlich des Ortes Alichur, wird noch mal leicht gewandert, bevor wir die letzte nennenswerte Siedlung in Tadschikistan, Murghab, erreichen. Wir müssen hier in einem Homestay 30$ bezahlen, um auf der kirgisischen Seite der Grenze auf einer Liste zu stehen, um die Grenze (die für Tadschiken und Kirgisen gesperrt ist) passieren zu können. Klingt bescheuert, ist es auch. Es gibt keinerlei Quittung, Kontaktaufnahme erfolgt über Whatsapp… Beim Auffüllen unserer Vorräte sehen wir zwei deutsche Fahrzeuge und treffen kurz darauf auch die Besitzer. Einer ist uns bereits durch seine youtube-Videos bekannt. Wir bekommen auch noch einen Kontakt für eine mögliche Ersatzteilbeschaffung. Nach dem Mittagessen (Rollton-Nudel-Snack) fahren wir auf guter Straße weiter zum Höhe(!)-Punkt der Reise. Nach dem Gezockel der Vortage ist die Fahrt auf dem Hochplateau des Pamir (trotz des stets auf der rechten Seite sichtbaren chinesischen Stacheldraht-Grenzzaunes) sehr eindrucksvoll. Der Ak-Baital-Pass ist nur auf den letzten paar hundert Metern steil, wir übersehen aber offensichtlich das Schild mit der Höhenangabe. Also wird gedreht und nochmal geschaut, aber das Schild wurde wohl entweder geklaut oder ist einem Erdrutsch zum Opfer gefallen. Notgedrungen müssen wir mit Idas Malzeug schnell selber eins schreiben: 4655m. Die Abfahrt ist dann nicht mehr ganz so gut, aber wir haben uns inzwischen schon an das Geschepper des Autos gewöhnt. Als Ida eine Pullerpause wünscht, stellen wir erst einen komischen Geruch und dann einen gerissenen Stoßdämpfer fest. Um Schäden am Unterboden zu vermeiden, bauen wir den oberen Teil ab, den unteren versuchen wir zumindest abzupolstern. In der Hoffnung, eventuell jemanden mit besserem Werkzeug zu treffen schleppen wir uns noch bis zum Karakol-See auf knapp 4000m Höhe. Es stehen schon mehrere größere Fahrzeuge dort und wir quatschen ein spazieren gehendes Pärchen an. Das entpuppt sich als Jackpot: der Schweizer Rene behauptet zumindest, alles an Werkzeug dabei zu haben und ist außerdem Kfz-Meister. Seine Flex müssen wir am nächsten Tag glücklicherweise nicht benutzen, mit dem Schlagschrauber bekommen wir auch das untere Stoßdämpferfragment sauber demontiert. Den Rest des Tages verbringen wir hauptsächlich damit, die gewaltige Szenerie des von 7000ern umrahmten Sees auf uns wirken zu lassen. Einen Tag später verlassen wir Tadschikistan, an der Grenze muss ich erstmal jemanden suchen, der einen Verantwortlichen für die Abfertigung sucht. Aufgrund der nicht lange zurückliegenden Grenzkonflikte kümmert sich keines der beiden Länder um die Straße durchs Niemandsland, die zudem noch über den Kyzyl Art Pass führt. Durch viele andere Reisende wissen wir schon, dass die Straße nach Regen kaum passierbar ist, es ist aber nur ein bisschen feucht und da es hauptsächlich bergab geht kommen wir ganz gut zur kirgisischen Grenze.