Die Ausreise verläuft problemlos, die Einreise anfangs auch. Wir müssen kleine Zettelchen ausfüllen, das gelingt aber während des Vorrückens in der Fahrzeugschlange. Passkontrolle klappt scheinbar auch, ich darf schon weiter um mal wieder alles am Auto zu öffnen. Nachdem ich alles geöffnet und auch wieder geschlossen habe steht Susi aber immer noch am Passschalter. Offensichtlich gibt es Probleme mit der Maschinenlesbarkeit von Idas maschinenlesbarem Pass. Irgendwann gibt die Beamtin aber auf und winkt uns weiter. Der Öffnungsüberprüfungsmann weist mich an, zu parken und dann zu ihm zurückzukommen. Mache ich, tausche meine kurze gegen eine lange Hose, und erhalte einen Schnipsel (Talon) und drei DIN A4 Seiten. Bitte ausfüllen und dann zum zweiten Fenster. Mache ich im Auto, meine kluge Frau legt mir nahe, mir noch eine Jacke und die Wanderschuhe anzuziehen. Mit ausgefüllten Zetteln und Talon begebe ich mich dann zum zweiten Fenster, vor dem die Hölle los ist. Wenn sich das Fenster (verspiegelt) öffnet, drängen alle nach vorn und wedeln mit ihren ausgefüllten Zetteln. Zettel werden herein- und herausgereicht, nach kurzer Zeit schließt sich das Fenster wieder erbarmungslos. Alles ist völlig undurchsichtig. Nachdem ich irgendwann begriffen habe (büße dadurch eine Position ein, die vermutlich 20-30 Minuten entspricht), dass ich erstmal meinen Talon abgeben muss, beginnt das große Warten. Wenn man aufgerufen wird, darf man seine Zettel hineinreichen. Dafür wird eine Nummer aufgerufen, die ich zwar akustisch verstehe, deren Bedeutung mir aber unklar ist. Ich befürchte kurz, die Nummer auf meinem Talon übersehen zu haben, werde dann aber aufgeklärt, dass es sich hierbei um die Zahlen des Nummernschildes handelt. Bei wirklich jedem ist irgendwas nicht richtig ausgefüllt, alle versuchen dann, in aller Eile noch irgendwas auf ihre Zettel zu kritzeln. Einem chinesischen Paar versuche ich zu erklären, dass sie ihren Talon abgeben müssen. Englisch verstehen beide offenbar nicht, das hält den Mann aber nicht davon ab, in der Folge immer wieder zu versuchen sich vorzudrängeln. Glücklicherweise ist er damit bei den Georgiern an der völlig falschen Adresse. Irgendwann wird auch Seda Wosjemm aufgerufen, es fehlt allerdings die Heimatadresse. Für Irritation sorgt zudem, dass ich nirgends in Russland übernachten möchte. Ich erkläre dies und darf erst mal wieder warten. Dann möchte die Beamtin das Auto sehen, ist zufrieden, und ich darf nochmal warten. Irgendwann bekomme ich meine Zettel und darf weiterfahren. Allerdings nicht, ohne den jetzt abgestempelten Talon einem weiteren Beamten an einer Schranke auszuhändigen. Da ist es 15:45 Uhr.
Wir tauschen noch etwas Geld und erwerben eine Versicherung, bevor wir nach weniger als 10 km in die erste Polizeikontrolle kommen. Die Frage, wo wir gerade herkommen, empfinde ich schon als ziemlich dämlich, da es genau diese eine Straße direkt von der Grenze her gibt. Es wird aber noch etwas besser. Da ich die Frage nach der Zollerklärung (für die ich vier Stunden angestanden habe) falsch verstehe und nur meine Versicherungspolice zücke, werde ich in den Container gebeten. Hier wird mir wenig subtil eine Spende für die Kaffeekasse nahegelegt. Da ich vorgebe nicht zu verstehen (hauptsächlich aber eher geschockt bin) werde ich aber nach wenigen Minuten entlassen. Alle anderen Polizeikontrollen in den nächsten Tagen laufen problemlos ab.
Da meine russische SIM-Karte noch nicht aktiviert ist, begeben wir uns im mit Transparenten zum Tag des Sieges zugepflasterten Wladikawkas auf WLAN-Suche. Finden wir auch, in Form eines KFC. Funktioniert aber nicht. Nach einer weiteren Runde und mit größer werdendem Hunger ordnet Susi an, einen Sushiladen aufzusuchen, der auch WLAN hat. Es sind schon lange keine Röllchen mehr auf dem Teller, als wir herausfinden, dass öffentliche WiFis offenbar keine VPNs zulassen. Da nun alles passt, kaufen wir vor Freude gleich auch noch Bier und Konfekt.
Lust noch weiter zu fahren haben wir keine und übernachten daher in Wladikawkas auf einem Parkplatz in der Nähe des Flusses und eines Tretbootteiches, der auch mit einem Umlauf, Spielplätzen und Kaffeeautomaten aufwarten kann. Alles wird von uns genutzt, Idas übelst eingestaubtes Fahrrad kommt nach Säuberung zum ersten Großeinsatz.
Wir wählen den kürzesten Weg Richtung Kasachstan und fahren weiter durch Tschetschenien und schauen uns das schon von weitem glänzende und funkelnde Grosny an. Es mutet stellenweise wie ein kleines Abu Dhabi an, irgendwo aus der Richtung kam sicher auch das Geld… Kurz vor Schluss falle ich noch unangenehm auf. Der erste junge Mann begrüßt mich, heißt mich willkommen und weist freundlich darauf hin, dass das mit meiner kurzen Hose nicht so angebracht ist. Die nächsten beiden schreien einfach aus dem geöffneten Autofenster.
Da das Kaspische Meer am nächsten Tag gar nicht soweit entfernt scheint, versuchen wir in Lagan, uns irgendwie Richtung Wasser zu bewegen. Das scheint im Wolgadelta allerdings recht aussichtlos. Die örtliche Moped-Gang hält an und bestätigt unsere Vermutung. Zur Begrüßung nimmt ein Junge meine Hand in seine beiden Hände, ich hatte davon gelesen, bin aber doch kurz irritiert. Er und seine Freunde bieten uns an, uns ein nettes Plätzchen zur Erholung zu zeigen. Wir nehmen an und haben einen schönen Nachmittag an einem Bade-/Picknickplatz an einem Kanal. Susi wäscht Wäsche, ich versuche zu Angeln, Ida lässt Drachen steigen.
An unserem letzten kompletten Tag in Russland besuchen wir Astrachan. Wir schauen uns den Astrachaner Kreml an und gehen etwas an der Uferpromenade spazieren. Da unser Hochzeitstag ist laufen wir auch noch zum Wedding Palace. Das sieht aber eher spuckig aus, wir lassen uns lieber in einem der unzähligen herumstehenden Herzen ablichten. Auf dem Rückweg treibt uns der Hunger in eine Art Kantine. Die Dame hinterm Tresen rattert gleich ihr komplettes Angebot herunter von dem wir jedoch nur Pelmeni verstehen. Die handgeschriebene Speisekarte vermag ich auch nicht zu entziffern. Zum Glück gibt es ein paar Beispielgerichte zum Draufzeigen und wir bestellen Pelmeni, Schnitzelchen (die sich als panierter Fisch herausstellen) und einen Salat. Alles zusammen kostet etwa 3,70€. Wir fallen wieder unangenehm auf, da das extrem entkräftete Kind leider seinen Teller samt halber Portion runterschmeißt.
Vom letzten Bargeld wollen wir noch Tanken, da die erste Tankstelle auf kasachischer Seite 40 km hinter der Grenze sein soll (Stimmt allerdings nicht). Ich zögere zulange, und auf einmal sehen wir schon die russische Ausreisekontrolle. Also fahren wir nochmal zurück in die letzte Stadt. Und haben vermutlich gleich wieder die Hälfte der getankten neun Liter verfahren. Zum Abschied bekommen wir von Russland noch einen sehr schönen Sonnenuntergang.
Die Ausreise am nächsten Tag läuft geschmeidig, die Einreise noch geschmeidiger. Die kasachische Fahrzeugkontrolle dauert etwa sieben Sekunden. In einem Container, dessen sämtliche Wände, Decken, Böden, Möbel aus OSB-Platten bestehen tauschen wir noch Geld und erwerben eine Versicherung, wenige Meter weiter tanken wir voll. Alles zusammen hat deutlich unter zwei Stunden gedauert, russischer und kasachischer Grenzposten liegen zudem fast 10km voneinander entfernt.