Anatolien

Die Nacht wurde neben einem Krankenhaus verbracht, dessen (automatisch übersetzte) Googlebewertungen am Vorabend noch für einige Heiterkeit gesorgt hatten. Wir fahren erstmal einkaufen, Ida bekommt ein Trinkpäckchen, dass sie sich noch während des Verstauens der Einkäufe über T-Shirt und Hose kippt. Nach dem Umziehen fällt uns auf, dass wir wohl Idas andere Hose, die zum Trocknen über dem Fahrradträger hing, vergessen haben, einzupacken. Also zurück zum Stellplatz wo aber keine Hose zu sehen ist. Erst nach erneuten 500 Metern Richtung Einkaufsgelegenheit ist sie rechts im Gras zu finden. Mein geschmeidiger Fahrstil halt…
Nach drei Tagen City brauchen wir dringend etwas Natur und fahren daher zum (von Susis Kollegen Timur empfohlenen) Wasserfall Saklıkent Şelalesi. Unterwegs schmeißt Ida ihre Wasserflasche runter. Natürlich ohne Stöpsel drauf. Beim Wasserfall sitzt unten ein Paar mit Campingstühlen neben dem Bach, weiter oben, wo man hinlaufen muss, die Aussicht aber bedeutend schöner ist, treffen wir niemanden. Zurück am Auto setzt Ida sich genau dahin, wo vorher ihre Wasserflasche gelandet war. Und braucht die nächste Hose. Der Wasserfall ist wirklich schön, allerdings ist die Anfahrt ziemlich mistig. Das gilt umso mehr auch für Timurs nächsten Tipp, den Yedigöller Naturpark. (Da Susi den Gag nicht verstehen würde nenne ich ihn ab da gedanklich nur noch Timur und sein Tipp…) Google Maps wirft eine merkwürdige Route aus, wir einigen uns darauf, der Ausschilderung zu folgen. Die Schilder sind zwar teilweise handgeschrieben und die Kilometrierung inkonsistent, am Ende schlagen wir aber Google um mehr als eine Stunde.
Der Park kostet Eintritt (für unseren „Minibüs“ knapp zehn Euro), allerdings ist niemand am Kassenhäuschen. Dafür treffe ich vier Ranger an der Cafeteria, die mir verständlich machen, dass ich wieder zum Kassenhäuschen muss, es würde jemand kommen. Nach wenigen Minuten kommen alle vier angedackelt, einer hat aber jetzt die Kasse dabei. Alle sind sehr bemüht, einer kommt mit Google Translate extra nochmal zur Cafeteria, um uns zu sagen, dass wir auch den anderen Parkplatz nutzen können. Wir wundern uns, schließlich sind das nur etwa 300m Fußweg. Verstehen es aber, als wir sehen, dass die (wenigen) anderen Besucher offensichtlich am liebsten mit dem Auto an eine Picknickbank fahren, dort alles ausladen und maximal noch ein paar Fotos der Seen (eher Teiche) machen. Diese liegen terrassenförmig hintereinander und sind durch gut gewartete Wege miteinander verbunden. Vom unteren Parkplatz zum obersten See sind es etwa anderthalb Kilometer Fußweg. Wir haben also noch eine gute nachmittägliche Trainingseinheit, verlassen den Park aber am Abend noch.
Es soll jetzt langsam Richtung Kappadokien gehen, da wir unbedingt Ballonfahren wollen. Eine Zwischenstation ist der Salzsee Tuz Gölü. Neben etwa fünf vorbeifahrenden Autos treffen wir an diesem für uns ebenso unwirklichen wie faszinierenden Ort genau einen Menschen: einen Schafhirten. Überraschenderweise spricht dieser besser Englisch als die meisten anderen Leute, mit denen wir bislang Kontakt hatten.
Beim Tanken auf dem Weg nach Ihlara kommt es an einer Tankstelle zu einer ungeplanten Reiseunterbrechung. Wie wir inzwischen herausgefunden haben, schaltet ein Tankwart immer erst die Säule frei, tankt auf und schickt einen mit einem Bon zum Bezahlen in den Shop. Nach dem Bezahlen erhält man vom Kassierer mehrere Bons, einen davon bekommt der Tankwart dann wieder. Wird vielleicht nach Leistung bezahlt… Hier geht der Tankwart mit seinem Bon selber mit in den Shop, bedient das POS-Terminal und ich soll 3040 Lira (knapp 90 €) zahlen. Das erscheint mir irgendwie zu hoch und ich protestiere erstmal. Daraufhin eilen zwei vor dem Shop sitzende Personen zu Hilfe, die beide Französisch mit mir sprechen wollen. Einen der beiden, der wohl Schweizer ist oder zumindest dort lebt, kann ich nachhaltig damit verwirren, dass ich ihm auf Französisch sage, dass ich kein Französisch spreche. Der andere ruft gleich eine deutschsprechende Person an, um das Missverständnis zu klären. Man betont immer wieder, dass aufgrund der Kartenzahlung eine Steuer in Höhe von 40 Lira zu entrichten sei (Haben ab da extra drauf geachtet, kam aber nirgends anders vor) Was allerdings nur mir auffällt, ist dass Tankwart Zitterhand 400 statt 40 eingetippt hat. Nachdem das geklärt ist werden alle zu einem Tee eingeladen.
Am nächsten Tag wird mal wieder gewandert, und zwar durch die Ihlara-Schlucht. Für 15€ Eintritt kann man die Schlucht betreten, in die Felsen beidseitig des Flüsschens sind verschiedene „Gebäude“ und zweifelsfrei mehrere Kirchen geschlagen. Ida hat hauptsächlich am Überqueren des Flusses auf selbstgebauten Baumbrücken Spaß. Zurück auf dem Parkplatz unterhalten wir uns mit dem Felix (oder Philipp, Susi und ich sind verschiedener Meinung) aus Forst, der gesehen hat, dass wir zu dritt unterwegs sind und sich gern mal unser Auto anschauen möchte, da auch er bei der Familienplanung den nächsten Step gehen möchte. Obwohl er uns noch vor dem extrem touristischen Göreme warnt, fahren wir noch am Nachmittag genau dorthin und versuchen eine Ballonfahrt zu buchen. Was stimmt und was nicht können wir mangels Türkischkenntnissen letztlich nur vermuten, aber offenbar gelingt es, für den nächsten Tag noch drei Plätze bei einem anderen Büro zu ergattern. Wir zahlen und bekommen später die Nachricht, dass wir uns um 5:15 am Büro einfinden sollen. Da ist am nächsten Tag natürlich niemand und ich schreibe erstmal ne Whatsapp. Geht durch, aber keine Reaktion. Um 5:30 rufe ich an und habe eine verschlafene Person dran, die mich zurückrufen will. Tut sie dann auch und teilt mit „Flight is canceled!“ Dolle Wurst! Wir vereinbaren einen weitern Termin für den Nachmittag und legen uns nochmal schlafen. Bei leichtbewölktem Himmel machen wir eine echt schöne Wanderung durchs Tauben- und Liebestal. Am Nachmittag einigen wir uns letztlich auf einen Termin für den übernächsten Tag, da ein kurzfristiger Anruf am (nächsten) frühen Morgen definitiv mit unserer Logistik kollidieren würde. Da wir doch gut k.o. vom frühen Aufstehen und Wandern sind fahren wir am nächsten Tag etwas durch die Gegend und schauen uns die unterirdische Stadt von Derinkuyu und den Markt und die Innenstadt von Nigde sowie auf der Rückfahrt eine Shell-Tankstelle an. Der Himmel öffnet alle Schleusen und wir drängeln uns mit anderen Fahrzeugen dicht unterm Dach der Tankstelle zusammen, um zumindest dem Hagel etwas zu entgehen. Am Abend erhalten wir die Nachricht, doch bitte um 4:00 Uhr am Büro zu sein.
Wir stehen also um 3:00 Uhr auf, treffen um 3:56 Uhr am Büro ein und werden um 3:59 Uhr abgeholt. Diesmal klappt alles und wir genießen (gemeinsam mit mehreren Hundertschaften Chinesen…) ein absolut unvergleichliches Erlebnis. Mir ist bewusst, dass das Werbesprech ist, aber es ist wirklich so. Wir nutzen den noch jungen Tag und fahren über 500km nach Osten. Mittags und abends machen wir eine größere Pause an einem der vielen Picknickplätze, die auch von den Einheimischen sehr stark genutzt werden. Es gibt viele Sitzgruppen/Pavillons, Spielplätze, Toiletten und natürlich eine kleine Moschee. Der Gebetsraum für die Frauen ist über den Toiletten. Es wird gegrillt, als gäbe es kein Morgen. Beim ersten Halt bekommen wir für die Benutzung unseres Feuerzeugs Kuchen geschenkt, beim abendlichen Stopp (vermutlich aus Mitleid beim Anblick unserer Bärlauchpestonudeln) die besten Köfte, die ich bisher gegessen habe.
Die letzten Tage war es außer am Morgen meistens bedeckt und hatte spätestens ab Mittag geregnet. Daher fahren wir weiter relativ viel Strecke, in Erzurum in Ostanatolien besichtigen wir – na klar!- die Skisprunganlagen. Mehr so aus Mangel an Alternativen. Alternativlos sind hingegender Ishak Pasha Palast und die Ruinenstadt Ani. Bei ersterem ärgern wir uns, dass sich der Ararat nicht richtig zeigen will und lösen anschließend beim Kauf eines Broilers einen Stau aus (eigentlich nicht, hätte keiner weiter dämlich geparkt wäre alles gut gewesen). Die Ruinen der ehemaligen armenischen Hauptstadt Ani besuchen wir am nächsten Tag. Sie bleibt uns fast verwehrt, da hier nur (türkisches) Bargeld akzeptiert wird. Haben wir aber leider nicht mehr in ausreichender Höhe. Wir werden aber umgehend gegenüber der Kasse auf einen Tee eingeladen und der Schankwirt ruft einen Englisch sprechenden Menschen an, dem wir unser Problem schildern, und der uns bittet, kurz auszuharren, er würde unser Problem lösen. Es geht dann aber fixer als gedacht, als uns eine in Georgien lebende US-amerikanische Familie anspricht, die gestern das gleiche Problem hatte. Zu einem fairen Kurs tauschen wir Euro gegen Lira und noch einige Besichtigungstipps in der Türkei, Georgien und Armenien.
Am späten Nachmittag überqueren wir die Grenze nach Georgien, alles läuft (auch durch Hinweise verschiedener LKW-Fahrer) recht zügig ab. Lediglich der georgische Zollbeamte hat wohl noch freie Kapazitäten und nutz daher eines seiner zehn Worte Englisch recht inflationär: Open! Was leider nicht ganz einfach ist, da konstruktionsbedingt gewisse Abhängigkeiten vorhanden sind. Slipeinlagen sieht er offenbar zum ersten Mal in seinem Leben.
Da wir das Versicherungsbüdchen kurz nach der Grenze nicht gefunden haben, nutzen wir den Stau nach einem Unfall wenige Kilometer weiter, um mit dem letzten Fitzelchen Turk Telekom-Empfang noch eine Versicherung online abzuschließen.

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