Osch und Song Kol
Auch an der kirgisischen Grenze ist erstmal niemand zu sehen, nach wenigen Augenblicken erscheint aber ein Uniformierter, der uns offenbar auf einer Überwachungskamera entdeckt hat. Nach den äußerst spartanischen Schreibstuben der tadschikischen Behörden, bei denen wir oft bezweifelten, ob es überhaupt Strom gab, ist der kirgisische Grenzübergang mal wieder „normal“ ausgerüstet. Mit Computern und so… Unsere Zweifel, ob wir auf der ominösen Liste stehen, zerschlagen sich glücklicherweise, nach knapp 20 Minuten ist alles erledigt. Es geht auch gut weiter, im ersten größeren Ort, Sary Tash, können wir unser übriggebliebenes tadschikisches Geld tauschen und auch noch eine SIM-Karte für 4 Wochen unlimited für sagenhafte 5,55€ erwerben. Geld abheben funktioniert zwar nicht, aber vielleicht haben auch nur die Schweizer, die wir wieder treffen den Automaten leergezogen. Wir warten mit dem Tanken nicht bis Osch, da wir schon vorher eine vertrauenswürdige Tankstelle mit Gazpromdiesel finden. Vermutlich hätten uns die 20L der Belgier locker bis hierhin gebracht.
In Osch führt unser erster Weg zum Car-Basar. Ein Büdchen mit Stern ist recht schnell gefunden, allerdings ist unser Fahrzeug für die angebotenen Teile mindestens 10 Jahre zu jung. Man verweist uns aber zu Formula, die könnten uns sicher helfen. Können sie dann auch irgendwie, obwohl ihr Alleinstellungsmerkmal, ein Computer mit Internetanschluss wenig dazu beiträgt. Telefonisch werden zwei Stoßdämpfer in Bischkek geordert, die am nächsten Tag dann an die hauseigene Werkstatt geliefert werden sollen. Über whatsapp bekomme ich dann noch die Nachricht, dass sich alles um einen Tag nach hinten verschiebt, da ja morgen Freitag sei. Ist uns egal, da das Auto ja eh erstmal stehenbleiben soll. Dazu brauchen wir ein Hostel, welches per App auch schnell gefunden ist. Wir sollen in den Hof fahren, dort steht bereits ein Slowake mit einem T5. Ich kläre mit ihm, wer wann abfährt, und deshalb vorn (bzw. hinten) stehen soll. Nach einer aufwendigen (weil alles sehr eng) Umparkaktion stehen wir hinten und er vorn. Wir tauschen noch eine ganze Weile Schauergeschichten vom Pamirhighway aus (seine Bremse ist im Eimer und er hat nur mit dem Motor gebremst) während sich im Rezeptionsbereich eher wenig tut. Irgendwann wird aber Susi an ein Handy gerufen, wo ihr eine englischsprechende Person erklärt, dass kein Zimmer frei sei. Hä??? Auch ohne Fremdsprachenkenntnisse beiderseits wäre es sicher ein leichtes gewesen, uns das eine Dreiviertelstunde eher mitzuteilen. Wie schon zuvor, und wie auch andere Reisende, die wir später treffen, stellen wir mal wieder erhebliche Defizite im Bereich der Kommunikation im Dienstleistungsgewerbe fest. Zumindest vermittelt man uns eine andere Unterkunft in der Nähe, und der Gegenentwurf zur Rezeptionistin (vielleicht war es ja auch die Putzfrau) des ABS-Hostels, ein hervorragend englischsprechender 13-jähriger holt uns wenige Minuten später ab.
Da nix repariert wird, haben wir einen Tag später genügend Zeit für Sightseeing. Der Reiseführer zählt zwar nur wenige Highlights auf, aber in den vielen Parks der Stadt gibt es ja auch den einen oder anderen Spielplatz. Nach dem Passieren der einzigen dreistöckigen Jurte der Welt erklimmen wir am Nachmittag den Suleyman Too, einen weithin sichtbaren Hügel mitten in der Stadt. Neben einer kleinen Moschee gibt es oben einige kleine Höhlen und eine steinerne „Rutsche“, die bei dreimaligem Rutschen (Kinder-)Wünsche erfüllen soll. Und daher hauptsächlich von Damen benutzt wird. Auf dem Rückweg nach unten mache ich noch ein paar Fotos, die Damen sind schon etwas voraus. Ich werde von einem Kirgisen angesprochen, der sich aus dem Stand den 1. Preis für subtile Gesprächseröffnung sichert: Ob ich denn aus Deutschland käme, ich würde zumindest klamottentechnisch ja so aussehen… Na vielen Dank. Ich bejahe aber höflich, und er stellt sich auch gleich vor. Und fragt als nächstes nach dem von mir genutzten Reiseführer. Letztlich stellt sich heraus, dass er als Guide arbeitet, und gern überprüfen möchte, ob die zu ihm verfügbaren Informationen in den Büchern auch (noch) stimmen. Als Dank für meine Kooperation quatscht er mich und Susi und die immer quengelicher werdende Ida bestimmt eine halbe Stunde lang mit allen möglichen Informationen zu. Als ich ihm verspreche, den Trescher-Verlag anzuschreiben und um die Korrektur der Informationen zu bitten sind wir dann aber entlassen.
Am nächsten Nachmittag fahren wir zur Werkstatt, zumindest sind die Stoßdämpfer bereits angekommen. Und sollen auch gleich eingebaut werden. Im Vergleich zu den Werkstätten, die wir bislang so gesehen haben, kommt Avtoprofi bestimmt unter die ersten fünf Prozent. Dennoch ist es hauptsächlich eine große Halle mit vielen Hebebühnen, in der ein Haufen Leute durcheinander rennen aber an den Autos wenig passiert. Während ich mich schon ärgere, den Einbau nicht selber versucht zu haben und Horrorszenarien mit falschrum eingebauten Federn und vergessenen Schrauben vor Augen habe, vergnügen sich Susi und Ida mit zwei kirgisischen Jungs (in Begleitung von Mutter, Großmutter und Urgroßmutter) am Tischkicker.
Unser nächstes Ziel mit frisch gedämpftem Auto ist Jalal-Abad, wo mal wieder dem Dreck im und am Auto zu Leibe gerückt wird (Spoiler: Auto bleibt genau einen halben Tag sauber.) Das nächste größere Ziel soll der Song Kol sein, ein Bergsee auf 3000 Metern, von dem ich zumindest auf Instagram tolle Bilder gesehen habe. Dazu müssen wir aber erst ein ganzes Stück nach Osten, um eine für uns geeignete Anfahrt zu nutzen. Von Jalal-Abad also Richtung Kazarman, sieht auf der Karte prima aus, entpuppt sich aber als üble Schotterpiste. Am nächsten Morgen nieselt es etwas, da Schotter durch Wasser nicht besser wird, beeilen wir uns, über den Pass zu kommen. Klappt ganz gut, wir erfahren später von anderen Reisenden, die aufgrund eines Erdrutsches auf der Strecke wohl mehrere Tage festsitzen. Obwohl „nur“ 3000m hoch, ist der Pass unter den üblichen Bedingungen wohl nur von Juli bis September passierbar. Als wir nach dem nächsten Schlafplatz suchen, treffen wir eine deutsche Radfahrerin, die erst wenige Tage unterwegs ist. Offenbar liegt aber ihr Tageskilometerpensum mit unserem mindestens gleichauf. In einem riesigen Schlenker fahren wir mit etlichem Abstand zu Dreivierteln um den Song Kol herum, um ihn nach einer Nacht in Kochkor und einer wegen drohendem Gewitter von Mutti abgebrochenen Wanderung im roten Canyon von Kok Moynok von Nordosten her anzufahren. Auf der über 50 km langen Schotterpiste kommt uns gleich am Anfang ein LKW mit deutschem Kennzeichen entgegen, den wir auch brav abgrüßen. Am See selber gibt es doch etliche Jurtencamps, und wir fahren auch noch mal über 10km um zum gewünschten Stellplatz zu kommen. Nach mehreren ambitionierten Wasserdurchfahrten ist aber trotzdem irgendwann Schluss, der Weg führt über eine nasse Wiese, die auch noch übel hügelig ist. Ein wenig frustriert fahren wir etwas zurück und stehen dann zumindest nur wenige Meter vom Wasser entfernt. Die Damen halten ihre Füße nochmal kurz in das glasklare Wasser, mir ist es aber deutlich zu kalt. Am Morgen werden wir wach, da das Auto irgendwie komisch wackelt. Ein Blick durch die Gardinen zeigt, dass die grasenden Rindviecher Gefallen an Idas Fahrrad oder der Heckbox gefunden haben, und sich immer wieder daran reiben. Sie sind zwar schnell verscheucht, werden aber immer wieder nach kurzer Zeit durch Artgenossen abgelöst. Dies und das Wetter mit wenig Aussicht auf Besserung lässt uns aus geplanten zwei Nächten nur eine machen und wir verlassen den See über die südöstliche Schotterpiste Richtung Naryn. Es gibt zwei Pässe, zum Glück nur ganz wenig Schlamm und die spektakuläre Abfahrt der 33 Papageien (die vermutlich aus 33 Haarnadelkurven besteht). Von Naryn aus fahren wir in den kleinen Nationalpark Salkyn Tör. Die meisten Einheimischen mieten sich hier Jurten und grillen, was das Zeug hält, wir gehen ein bisschen wandern. Das tun außer uns nicht viele Menschen, lediglich ein paar Pilzsammler sehen wir später noch (die aber zu spät kommen, hehe). Zwei Wanderer überholen uns dann doch noch, der Tscheche Jaroslav und sein kirgisischer Kumpel, der ihm ein wenig die Gegend zeigt. Er ist ziemlich beeindruckt von unserer Reisemethode, er selber reist allein und per Anhalter. Wieder am Auto machen wir uns Instant-Nudeln heiß, und da der Kelly Kettle mal wieder mehr qualmt alles andere dauert das eine Weile. Irgendwann ist Jara auch vom Wandern zurück und lässt sich ganz begeistert das Auto zeigen. Sein selbsterklärter Höhepunkt des Tages ist dann aber, als ich ihm eine 2-Liter-Plasteflasche mit tschechischer Flagge als Etikett und angeblich tschechischem Bier zeige. Wir quatschen noch eine ganze Weile weiter, müssen allerdings aufpassen, nicht von angetrunkenen, tauziehenden Kirgisen umgegrätscht zu werden. Jaras Begleiter muss irgendwann los, wir wollten eigentlich auch in die andere Richtung, aber letztlich bringen wir Jara zurück nach Naryn, finden dort einen Spielplatz und ein nettes Restaurant und übernachten auch nochmal. Auf dem Spielplatz gibt es WLAN, und während Ida Karussell fährt tätigen wir Videoanrufe. Irgendwer hat vermutlich Geburtstag…