Der nächste Tag bringt uns unseren ersten „richtigen“ Grenzübertritt, zumindest will man unsere Pässe und auch einmal in den Kofferraum sehen. Der Anblick unseres Bettzeugs hält aber die junge Beamtin von einer genaueren Inspektion ab. Wir fahren entlang der rumänisch-ukrainischen Grenze, unser Ziel ist der kleine Ort Sapinta, der durch seinen fröhlichen Friedhof hohe Bekanntheit erlangt hat. Alle „Grabsteine“ aus Holz werden bzw. wurden von einem Künstler erschaffen, der jedem Verstorbenen ein kleines, oft ironisches Gedicht mitgibt. Google Translate ist aber komplett überfordert, sehr schön anzusehen ist der Friedhof trotzdem. Eigentlich kostet es auch Eintritt, mangels Kartenlesegerät und fehlender Barschaft unsererseits werden wir aber durchgewunken. Wir lassen aber trotzdem noch etwas Geld im Ort, essen im Restaurant Blanca. Die Begeisterung über das Essen auf Damenseite hält sich aber sichtlich in Grenzen.
Der Hauptprogrammpunkt des nächsten Tages ist nochmal deutlich touristischer, war aber auch spontan der erste Rumänien-Tipp von Milan. Die Salina Turda ist ein ehemaliges Salzbergwerk, in das man neben einem Therapiezentrum auch einen kleinen „Freizeitpark“ eingebaut hat. In etwa 80m unter Tage kann man Billard oder Tischtennis spielen, Kahn oder Riesenrad fahren. Zudem ist das ganze ziemlich nett beleuchtet. Selbstverständlich werden alle Höhenmeter zu Fuß überwunden.
Deutlich aufregender wird es beim anschließenden Einkauf in der örtlichen Pennyfiliale: die Dame in Securityuniform gibt mir zu verstehen, dass ich meinen Rucksack nicht mit in den Laden nehmen darf. Es gibt eine Schließfachanlage, in der ich vorschnell einen Euro versenke, da ich nicht gesehen habe, dass es offenbar keine Schlüssel gibt. Die Dame gibt mir zu verstehen, dass sie persönlich meinen Campingbeutel bewachen wird. Das hat Susi mitbekommen und schreitet unverzüglich ein: Sie wendet das Kind in der Gemüseabteilung und schnappt sich den Rucksack, um damit im Auto auf uns zu warten. Da im Rucksack alle wichtigen Dokumente sind wittert sie eine gar garstige Betrugsmasche. Wohl zu viel Aktenzeichen xy geschaut…Richtig dumm wird es aber dann nach dem Bezahlen: Möglicherweise ist sie ja sauer über das ihr verweigerte Vertrauen, jedenfalls untersagt mir die Securitydame, meinen Plastik-Einkaufskorb (da Ida den großen Wagen nicht schieben kann, besteht sie meistens auf einen kleinen Wagen oder alternativ auf Korb) mit auf den Parkplatz zu nehmen. Da Susi nicht in der Nähe ist biete ich ihr als Pfand mein Handy, was sie aber nicht mal mit der Wimper zucken lässt. Einzige Option ist also, einen Wagen vom Parkplatz zu holen, zwischendurch noch dem wegrennenden Kind hinterherzuschreien und dann im Eingangsbereich alles umzupacken. Das mit dem Rucksack kann ich einsehen, mangelnde Flexibilität weniger.
Der Abend wird recht entspannt, da das nächste auserkorene Ziel gleichzeitig einen super Übernachtungsplatz bietet. An der Roten Schlucht, Rapa Rosie ist zum Sonntagabend zwar noch ziemlich Betrieb, es übernachten aber neben uns nur noch Paar aus der Schweiz mit LKW und ein paar aus UK in einem Vito. Der Schweizer, Tom, quatscht uns auch gleich an und fragt nachdem woher und wohin. Und hat sogar eine Visitenkarte mit sämtlichen Social Media Accounts für uns. Da die Briten zeitig weiterfahren, können wir unter fröhlichem Gejauchze auch noch in aller Ruhe unsere neu erworbene Dusche testen. Duscht!
Mein geheimes persönliches Highlight Rumäniens, den Transfagarasan Highway, möchte ich heute eigentlich angehen. Da Google Maps aber merkwürdige Routen auswirft ergibt die (übliche Kurz-vor-knapp-) Recherche, dass der Pass vermutlich nicht vor dem 1.Juli öffnet. Ähnlich schön wie Serpentinen fahren ist nur Shoppen und so ergänzen wir stattdessen in Shopping City Sibiu unsere Ausrüstung. Die Kugel Eis kann preislich übrigens mit Mitteleuropa locker mithalten.
Wir überqueren die Karpaten alternativ durch das Olttal und übernachten in Schlagdistanz zur Hauptstadt nahe des Flusses Arges.
Die letzten knapp 100km sind am nächsten Tag schnell gefahren, auch durch Bukarest kommen wir recht geschmeidig und parken direkt vor dem Palast des Volkes. Was für ein Trümmer… Jetzt wird es aber erst mal etwas zäh, da ein Parkticket zu lösen ist. Per SMS oder App. Trotz VPN bekomme ich aber die App nicht installiert (scheint es wohl nicht mehr zu geben) und die SMS zu schicken verweigert das mobile Endgerät ebenfalls. Irgendwie funktioniert es dann aber doch und wir drehen eine kleine Runde durch die (jahreszeitbedingt?) doch recht entspannte Hauptstadt. Allgemein empfinde ich Rumänien sehr angenehm. Da sind, gerade auch im Straßenverkehr, die exjugoslawischen Staaten doch ein ganz anderes Kaliber.
Um zum Donaudelta zu gelangen geht es jetzt erstmal nach Norden, in die Nähe des kleinen Tals Cheile Dobrogei, in dem wir am nächsten Tag auch eine kleine Wanderung unternehmen. Dann nach Tulcea, dem Ausgangspunkt für Touren ins Donaudelta. Tulcea ist eine typische Hafenstadt: ziemlich hässlich. Um einen Ausflug klar zu machen soll man laut Werbetafeln meistens irgendwo anrufen, Präsenzoptionen gibt es leider keine. Lediglich von einem auf einer Bank chillenden jungen Mann werden wir mit „Looking for a tour?“ angequatscht. Susi hat aber irgendwas mit Foto verstanden, ruft schnell No, no und bringt ihr Kind in Sicherheit. Nur weil er neben sich eine 1L-Flasche Whiskey stehen hat… Immer diese Vorurteile.
Auf unsere Anfrage per Mail hat bis heute niemand reagiert und da wir abends ständig Unwetterwarnungen aufs Handy bekommen und die Temperaturen rapide fallen wird das Donaudelta leider nach „Unerledigt“ verschoben. Wie erwartet regnet es am nächsten Tag (wenn auch in unserer Gegend nicht extrem lange und viel) und an vielen Stellen steht Wasser auf der Straße. Wir schaffen es aber unbeschadet bis kurz vor die bulgarische Grenze, wo wir in Eforie einen kleinen Spaziergang am Meer machen. Unsere letzten Lei geben wir für Süßigkeiten und die Autowaschanlage aus, bevor wir die Grenze überqueren und uns einen ruhigen Platz in Strandnähe zum Übernachten suchen.